Einigkeit und Recht und Freiheit bleiben auch im Jahr 2014 für uns eine große Aufgabe

Vor 25 Jahren hat Hans-Dietrich Genscher den vielleicht berühmtesten Halbsatz der deutschen Geschichte gesprochen. Vom Balkon der Prager Botschaft verkündete der damalige Außenminister der Bundesrepublik den Tausenden im Garten wartenden DDR-Flüchtlingen, dass er gekommen sei, „um Ihnen mitzuteilen, dass heute Ihre Ausreise ...“ Weiter kam er nicht. Der Rest war Jubel. Und ein Jahr später war die deutsche Einheit perfekt.

Die Menschen hatten sich nicht auf das Botschaftsgelände geflüchtet, weil sie so lange auf ein Auto warten mussten oder weil es statt Champagner nur Rotkäppchen oder rumänische Schaumweine in den Regalen des sozialistischen Handels gab. Sie hatten die Nase voll von ideologischer Bevormundung, von Repressalien und Willkür. Sie wollten Freiheit und eine bessere Zukunft vor allem auch für ihre Kinder. Dafür haben sie viel riskiert und auch für viele andere so eine Bresche in die brüchig werdende Mauer geschlagen.

Das Risiko wären sie nicht eingegangen, wenn die DDR kein Unrechtsstaat gewesen wäre, wenn der Arbeiter-und-Bauern-Staat nur an ein paar ökonomischen Unzulänglichkeiten gelitten hätte und ansonsten der Sozialismus eine ganz gute Idee gewesen sein sollte. Das muss den Herren Modrow und Gysi nach einem Vierteljahrhundert wieder ins Gedächtnis gerufen werden, da sie sich anschicken, mit Spitzfindigkeiten den untergegangenen zweiten deutschen Staat schönzureden. Es waren genau diese beiden Herren, die in einer dramatischen Nachtsitzung auf einem Parteitag Ende 1989 die SED vor der Auflösung gerettet haben. Später hieß die Partei PDS, heute Die Linke.

An diese Kontinuität und Geschichte sei auch erinnert, weil sich in Thüringen mit Bodo Ramelow einer ihrer Genossen anschickt, das Regierungsamt zu übernehmen. Und auch deshalb, weil sonst nicht zu verstehen ist, warum in Hongkong, der Ukraine oder an vielen anderen Orten der Welt immer wieder Menschen viel riskieren, manchmal sogar ihr Leben, um in Freiheit und Demokratie leben zu können. Deren Bestrebungen lassen sich von propagandistisch geschulten Ideologen allzu leicht auch als Konterrevolution, Aufruhr von Hooligans oder faschistische Unterwanderung uminterpretieren.

Einheit in Freiheit und Demokratie sind für uns Deutsche heute eine Selbstverständlichkeit. Dennoch ist es immer wieder wichtig, sich daran zu erinnern, warum und wie sie zustande kam. Auch, um politische Entwicklungen der Gegenwart einordnen zu können. Dazu gehört auch, dass das vereinte Deutschland nicht ohne das geeinte Europa denkbar gewesen wäre. Ein Europa, in dem die Bundesrepublik wirtschaftlich und politisch eine führende Rolle spielt. Auch deshalb, weil 1990 nicht nur fünf Bundesländer hinzugekommen sind, sondern weil sich das gesamte Deutschland in Ost und West seit jener Zeit erheblich verändert hat. Nicht nur zum Besseren, werden manche einwerfen: Der Leistungsdruck in der Arbeitswelt hat zugenommen, die weltweiten Verflechtungen wecken bei vielen Ängste, außenpolitisch steht die Bundesrepublik vor vielen neuen Aufgaben – bis hin zu Militäreinsätzen.

Dass gerade beim letzten Beispiel nicht alles rundläuft, die Luftwaffe nicht fliegen kann, wie sie soll, und auch sonst manches nicht funktioniert, hat geradezu Symbolcharakter. Die Politik ist eben auch nicht weiter als ihre Bürger, die noch manches Erbe aus der Vergangenheit in den Köpfen mit sich herumschleppen. Es bleibt für beide viel zu tun. Die Einheit ist eben kein Zustand, sondern ein Prozess. Trotz aller Klagen, die landauf, landab gelegentlich zu hören sind, ein bisher überaus erfolgreicher. Denn um unsere Sorgen würden uns die weitaus meisten Nationen dieser Erde beneiden. Auch weil wir sie in Einheit und Freiheit angehen können.