Punkt für Punkt setzt sie ihr Programm durch – aber die Wähler danken es der CDU

Der Mittwoch ist der Karfreitag der SPD. „Kara“ kommt aus dem Althochdeutschen und heißt Klage, Kummer, Trauer. Das sind exakt die Gefühle, die Sozialdemokraten beschleichen, wenn RTL und „Stern“ ihren wöchentlichen Wahltrend veröffentlichen. In der aktuellen Umfrage fällt die SPD um weitere zwei Prozentpunkte auf 22 Prozent zurück. Man kann es ein wenig schönreden: Das Meinungsforschungsinstitut Forsa genießt in der Szene nicht den allerbesten Ruf, und Institutschef Manfred Güllner, selbst Sozialdemokrat, arbeitet sich mit Vorliebe an seiner eigenen Partei ab.

Ein Trend aber ist bei allen Demoskopen unumstritten: Die beiden Partner der Großen Koalition stehen in der Gunst der Wähler wie festgenagelt genau dort, wo sie vor einem Jahr bei der Bundestagswahl standen. Angela Merkel feiert jede Woche einen kleinen Triumph, die SPD erlebt alle sieben Tage ein Desaster.

Die realen Kräfteverhältnisse in der Regierungspolitik der vergangenen Monate schlagen sich in diesen Zahlen kaum nieder: Die Union war zwar fast doppelt so stark wie die SPD, in der Politik der Großen Koalition sind aber die Sozialdemokraten die großen Gestalter: Die SPD hat es nicht nur geschafft, mit Sigmar Gabriel (Wirtschaft), Frank-Walter Steinmeier (Außen) und Andrea Nahles (Arbeit) Schlüsselressorts zu besetzen, sie liefert auch. Die Arbeitsministerin bringt von der Rente mit 63 bis zum Mindestlohn ein sozialdemokratisches Wunschthema nach dem anderen auf den Weg. Die Maut hingegen, das Herzensanliegen der CSU, kommt kaum voran und gleicht einer politischen Irrfahrt im Nebel. Die Wähler, das ist die Botschaft von Forsa und Co., ficht die Berliner Performance nicht an. Sie verbuchen Positives aufs Merkel-Konto, Negatives bei der SPD.

Ist Angela Merkel für die SPD doch die „Schwarze Witwe“, angelehnt an das wenig rücksichtsvolle Verhalten der Spinne, ihren Partner nach der Paarung zu verspeisen?

Immerhin hat die Kanzlerin die SPD nach der ersten Großen Koalition 2009 in ein 23-Prozent-Getto vertrieben und die FDP 2013 in die politische Bedeutungslosigkeit.

Inzwischen schwant auch Parteichef Sigmar Gabriel, dass er trotz cleveren Politmanagements am Ende scheitern könnte. Nicht einmal die AfD – die eurokritische Alternative für Deutschland – scheint Merkel gefährlich zu werden. Sie kommt in der jüngsten Umfrage auf zehn Prozent; die Union steht trotzdem solide bei 40 Prozent und mehr.

Die vage Hoffnung der Sozialdemokraten, die CDU werde am Rand mehrere Prozent verlieren, sie trügt: Die AfD sammelt Unzufriedene in allen Lagern, Linkswähler sogar noch mehr als Union-Sympathisanten.

Die regelmäßigen Rückschläge in den Umfragen entfalten für die SPD eine fatale Wirkung: Sie schwächen die eigenen Truppen, schüren die Skepsis und lähmen die Stammwähler. Die CDU hingegen profitiert vom Mitläufer-Effekt, sie sammelt Sympathien als Sieger und sichert sich aufstiegsorientierte Parteieinsteiger. Umfragen geben so nicht nur Stimmen wieder, am Ende schaffen sie Stimmungen. Sie zeichnen Trends nach – und verfestigen sie. Für die SPD sind das schlechte Nachrichten: Die Kanzlerin ist derzeit kaum schlagbar; die größte Chance auf einen Machtwechsel wäre vermutlich der Amtsverzicht der Kanzlerin. Ein SPD-Erfolg liegt also in ihrer Hand, nicht in den Händen sozialdemokratischer Spitzenpolitiker.

Immerhin können sich Gabriel, Nahles und Steinbrück an der Hamburger Geschichte trösten. Bis Ende 2008 lag die CDU in Hamburg meilenweit vor der SPD. In gut 24 Monaten drehte die Stimmung komplett: Die Union halbierte ihren Rückhalt von 44 Prozent in Umfragen auf 21,9 Prozent bei der Bürgerschaftswahl; die SPD landete nicht bei 31, sondern bei 48,4 Prozent. Der Unterschied: Die SPD kam damals aus der Opposition.