Der HSV-Trainer hat die Chance, die Wende zu schaffen

Es war wirklich unglaublich, welche Kräfte der neue Trainer freisetzen konnte. Innerhalb von nur wenigen Tagen impfte der 47-Jährige den zuvor so verunsicherten HSV-Fußballprofis eine neue Spielidee ein, die die Spieler dann mit „unbändigem Willen, heißem Herzen und kühlem Kopf“ (wie geschrieben wurde) auf dem Rasen im Volkspark umsetzten. So durften die Hamburger Fans am 22. Februar ein 3:0 gegen Borussia Dortmund feiern und waren sich mehrheitlich sicher: Mirko Slomka packt die Wende.

Das (schnelle) Ende ist bekannt.

Euphorisch beklatschte Premieren von HSV-Trainern gehören längst zum Standardprogramm. Nach einem bemerkenswerten „0:0-Sieg“ gegen den FC Bayern München deshalb davon auszugehen, nun werde automatisch beim HSV unter Slomkas Nachfolger Josef „Joe“ Zinnbauer alles gut, wäre naiv, zumal die Lage weiter angespannt bleibt: Noch immer wartet der HSV nicht nur auf seinen ersten Sieg, sondern auch auf sein erstes Tor. Dennoch ist zumindest vorsichtiger Optimismus angebracht.

Zinnbauer, der offensichtlich über ein gutes Gespür verfügt, die Spieler zu emotionalisieren, hat einen großen Vorteil: Er genießt – gewissermaßen als letzter Baustein des Neuanfangs von Clubchef Dietmar Beiersdorfer – das Vertrauen der sportlichen Leitung und muss keine Störfeuer fürchten.

Zweitens steckt im Kader deutlich mehr Qualität als noch in der Vorsaison, vor allem mit Valon Behrami scheint Beiersdorfer einen erfahrenen Mann verpflichtet zu haben, der wichtige Führungsaufgaben übernehmen kann. Und während Slomka von Bert van Marwijk eine unzureichend trainierte Mannschaft übernahm, stimmen heute sogar die Fitnesswerte.

Man würde Zinnbauer aber keinen Gefallen tun, ihn hochzujubeln. Er benötigt Zeit, um den Nachweis antreten zu können, mehr als eine Motivations-Feuerwehr zu sein. Er muss die Spieler individuell und als Team weiterentwickeln, sie besser machen, zum Beispiel auch den so talentierten, aber derzeit indisponierten Pierre-Michel Lasogga. Erst wenn Zinnbauer es gelingt, die Spieler regelmäßig (gemeinsam!) an ihre Grenzen zu führen, ist die Wende geschafft.