Huub Stevens, Bruno Labbadia, Mirko Slomka: Die Zeit der allmächtigen Trainer in Hamburg ist vorbei. Der neu strukturierte Club will ab sofort die Richtung vorgeben.

Mit Kommentaren über Trainerentlassungen beim HSV ließe sich inzwischen bequem ein facettenreiches Buch füllen. Es gibt kaum einen Fußballlehrer-Typus, den der Club in der jüngeren Vergangenheit nicht (mal erfolgreich, mal erfolglos) ausprobiert hätte: Huub Stevens, den Knurrer von Kerkrade, den ehrgeizig-verbissenen Bruno Labbadia, Charmeur-Plauderer wie Martin Jol und Armin Veh, Motivationskünstler wie Thomas Doll und Thorsten Fink, Bert van Marwijk, den Elder Statesman aus den Niederlanden, und zuletzt den statistik- und fitnessaffinen Mirko Slomka, um nur eine kleine Auswahl zu nennen.

Die Begeisterung für die neuen Übungsleiter war anfangs stets groß, für Fink und Labbadia investierte der HSV sogar hohe Ablösesummen – was den Verein aber regelmäßig nicht davor bewahrte, nach der Entzauberung der so Hochgelobten üppige Abfindungen zahlen zu müssen.

Aus dem munteren Rein-raus- Spiel auf dem Trainerposten zu folgern, speziell der HSV sei untrainierbar, wäre zwar naheliegend. Ist aber Quatsch. Die Halbwertszeit von Trainern in Bundesligaclubs liegt unter zwei Jahren, das Geschäft ist schnelllebig. Besonders bei Clubs wie dem HSV oder auch dem VfB Stuttgart, die häufig nach zu hoch gesteckten Zielen eine Bauchlandung erleben, ist Geduld wenig ausgeprägt. Trainerverschleißend wirkt es sich aus, wenn (wie in Hamburg geschehen) Führungsgremien streiten und die Konzentration auf den Sport behindern.

Weil beim HSV Identität und Philosophie in all den Wirrungen der jüngeren Vergangenheit verloren gegangen waren, mussten die jeweiligen Handlungsträger jedes Mal von vorn anfangen. Umbruch, Neuanfang, Aufbau – die wertlosen Worthülsen klingen jedem noch in den Ohren.

Dietmar Beiersdorfers Signal am späten Dienstagnachmittag war deutlich: Damit muss jetzt Schluss sein!

Mit seinem radikalen Schnitt – fast der komplette Trainerstab musste mit Slomka gehen – demonstrierte der Vorstandschef den Willen zum Neuanfang. Dass Beiersdorfer Josef Zinnbauer als Nachfolger präsentierte, passt zum Paradigmenwechsel. Innerhalb kürzester Zeit hat er mit Bernhard Peters (Nachwuchs) und Peter Knäbel (Profis) zusätzliche sportliche Kompetenz verpflichtet, dazu ist mit Aufsichtsrat Thomas von Heesen ein Ex-Profi eng eingebunden. Nicht Zinnbauer wird daher die Leitlinien entwerfen, er muss die neue HSV-Strategie, sich wieder zum Ausbildungsverein entwickeln zu wollen, im Team umsetzen. Aus dieser Perspektive ist Slomkas Aus nach dem dritten Spieltag zu sehen. Weder Aufsichtsratschef Karl Gernandt noch Investor Klaus- Michael Kühne, die Slomka kritisch gegenüberstanden, bestimmten den Zeitpunkt der Entlassung, vielmehr nahm sich Peters die Zeit, die Arbeit Slomkas ausgiebig zu analysieren. Nachdem sein Urteil feststand, wurde von der sportlichen Leitung gehandelt.

Peters ist mit dem Auftrag in Hamburg angetreten, mittelfristig auch Trainer „heranzuzüchten“, um sich künftig in den eigenen Reihen bedienen zu können, wenn Übungsleiterposten neu zu besetzen sind. Ein leuchtendes Beispiel hierfür ist der FC Barcelona. Ob Zinnbauer, der beachtliche Anfangserfolge mit dem HSVNachwuchs erzielte, aber noch keine Bundesligaerfahrung hat, mit der schnellen Beförderung nicht überfordert ist, muss sich zeigen. Beiersdorfer, Peters und Co. stehen nun in der Pflicht, Zinnbauer zu unterstützen. Trotz allen Begleitschutzes wird aber auch dieser nicht umhinkommen, möglichst rasch Erfolge zu liefern. Die braucht der HSV jetzt dringend.

Immerhin: Mit dem Typus „unerfahrener Amateure-Trainer“ hatte der HSV durchaus Erfolg. 1995/96 führte Felix Magath den Club aus der Abstiegszone in den Uefa-Cup, 2006 gelang Thomas Doll der Sprung bis in die Champions League.