Die Hamburger FDP erscheint nach dem Austritt der Parteichefin als zerstrittener Haufen. Katja Suding muss sich um die angeschlagene Partei sorgen.

Bis zum frühen Sonntagabend durfte die Hamburger FDP-Spitzenkandidatin Katja Suding an ein politisches Überleben der Liberalen bei der Bürgerschaftswahl am 15. Februar glauben. Jedenfalls unter Berücksichtigung aller denkbaren optimistischen Grundannahmen. Dann flimmerten die ersten Hochrechnungen der Landtagswahl in Sachsen über die Bildschirme, und schnell war klar, dass sich der in der Nachkriegsgeschichte beispiellose Niedergang einer einst etablierten Partei ungebremst fortsetzt. Aus der vergleichsweise komfortablen Situation einer Regierungsbeteiligung heraus und trotz eines beherzt geführten Wahlkampfes flogen die Liberalen aus dem Landtag.

Der zweite Schlag folgte am Montag – und der war hausgemacht und wiegt deswegen umso schwerer: Sudings Gegenspielerin – Landeschefin Sylvia Canel – erklärte der verdutzten Runde des Landesvorstands den Rücktritt von ihrem Amt und zugleich den Austritt aus der FDP. Dass Canel auch ankündigte, sich der Gruppe weiterer FDP-Dissidenten anzuschließen, die eine neue liberale Partei gründen wollen, war da nur noch das i-Tüpfelchen auf dem elbliberalen Desaster.

Nur vordergründig kann sich Suding darüber freuen, ihre Widersacherin losgeworden zu sein. In Wahrheit kann es schlimmer für die FDP-Fraktionschefin in der Bürgerschaft kaum kommen – als junge Spitzenfrau noch immer liberale Hoffnungsträgerin unter den wohlgefälligen Augen von Parteichef Christian Lindner.

Die Elbliberalen liegen in Umfragen abgeschlagen unter fünf Prozent und können sich trotz engagierter Parlamentsarbeit nicht vom negativen Bundestrend der Partei abkoppeln. Und nun erscheint die Hamburger FDP einmal mehr als das, was sie seit Jahren ist: ein zerstrittener Haufen, dem Nabelschau und parteiinterne Intrigen häufig wichtiger sind als die politische Arbeit.

Suding und Canel mögen sich nicht. Das soll vorkommen – in Parteien wie im Leben sonst auch. Was auch immer der tiefere Grund für diese verschärfte Animosität ist, eine Ursache scheidet jedenfalls aus: ein inhaltlicher Streit. Der Burgfrieden, den Canel und Suding nach fürsorglicher Einmischung von Parteichef Lindner erst vor wenigen Wochen schlossen, hat nicht gehalten und konnte wohl nicht halten.

Es war ein Scheinfrieden, der zulasten Canels ging. Zuvor hatte eine von den dauernden Querelen entnervte Suding Canel eine Kampfabstimmung über die Spitzenkandidatur vorgeschlagen. Die Unterlegene sollte gar nicht für die Bürgerschaft kandidieren. Für das urliberale Selbstverständnis war das ein skandalöser Vorgang, weil er die Einschränkung der freien Kandidatur und der freien Wahl bedeutete. Unter massivem Druck gab Canel nach und verzichtete.

Es ist wahr: Beide Seiten gingen mit harten Bandagen vor. Aber Sudings Angebot zum politischen Duell war nicht weniger als der verzweifelte Versuch, diesem Landesverband endlich ein wenig Professionalität einzuhauchen. Wenn die FDP überhaupt eine Chance bei der Bürgerschaftswahl haben wollte, dann nur mit Katja Suding an der Spitze. Die attraktive Seiteneinsteigerin ist das bekannteste Gesicht der FDP, ihr hat es die Partei im Wesentlichen zu verdanken, dass ihr 2011 der Sprung zurück in die Bürgerschaft gelang.

Eigentlich müssten die Hamburger Liberalen jetzt dringend an einer Strategie gegen die von Erfolg zu Erfolg eilende Konkurrenz von der AfD feilen. Stattdessen sucht die Partei nun eine(n) neue(n) Vorsitzende(n). Konsequent wäre es, wenn Suding antreten würde. Aber die Fraktionschefin weiß aus leidvoller Erfahrung, dass dieser Landesverband die Machtkonzentration nicht schätzt. Vor eineinhalb Jahren wollte Suding Parteichefin werden – und verlor. Ihre Gegnerin damals: Sylvia Canel.