Ohne Bewegung auf allen Seiten ist der Ukraine-Konflikt nicht zu lösen

Manchmal ist es schon ein Ergebnis, wenn diplomatische Gespräche ohne ein solches enden. Im Fall des Ukraine-Konflikts etwa trennten sich die Außenminister aus Kiew, Moskau, Berlin und Paris nach fünfstündigen Gesprächen mit in Nuancen unterschiedlichen Beurteilungen derselben – aber eben ohne konkrete Beschlüsse. Das mag auf den ersten Blick enttäuschend aussehen, aber angesichts der verfahrenen Lage ist es immens wichtig, dass die streitenden Parteien überhaupt gewillt sind, miteinander zu reden und nach einer diplomatisch-politischen Lösung zu suchen.

Mit schnellen Ergebnissen ist angesichts der tiefen Gräben, die mittlerweile die Ukraine und Russland, ja, auch den Westen und Russland trennen, kaum zu rechnen. Dazu beigetragen haben auch Fehler und Versäumnisse des Westens und der neuen Führung in Kiew. Bis heute haben die Regierenden in der ukrainischen Hauptstadt nicht den richtigen Ton gefunden, um die mehrheitlich Russisch sprechenden Landsleute im Osten wenn schon nicht gleich für sich zu gewinnen, so doch wenigstens zu beruhigen. Zu lange hat man in Brüssel und Washington etwa auf eine Julia Timoschenko gesetzt, die sich von anderen Oligarchen vor allem durch ihr telegeneres Äußeres unterschied. Das Land taumelte derweil in eine geradezu aussichtslose Lage. Zu wenig haben russische Sicherheitsbedürfnisse und berechtigte geostrategische Interessen bei Nato und EU eine Rolle gespielt. Und seit der Annektion der Krim durch Russland und dem Beginn der bewaffneten Auseinandersetzungen im Donbass überbieten sich vor allem Polen und die baltischen Staaten mit geradezu hysterischen Horrorszenarien einer erneuten russischen Westexpansion – begleitet von im Wochenrhythmus wiederholten Mahnungen eines scheidenden Nato-Generalsekretärs Rasmussen, der Aufrüstung und Drohgebärden gen Moskau für probate Mittel der Krisenbewältigung hält.

Das macht es für Putins Propagandamaschinerie leichter, beim eigenen Volk die Mär von der US-amerikanisch finanzierten Faschistenclique in Kiew aufrechtzuerhalten, die angeblich alles Russische und alle Russen in ihrem Staat ausrotten wollen. Ebenso wie die Legende des von Feinden umzingelten Mütterchens Russland, die nach dessen Unterwerfung trachten. Die Uralt-Ideologie von der besonderen eurasischen Seele und Kultur, die schon zu Zarenzeiten zur Abgrenzung gegen so verwerflichen westlichen Unrat wie Demokratie, Pluralismus und Meinungsfreiheit strapaziert wurde, feiert fröhliche Urständ. Und wie schon zu Zeiten der Romanows geht es tatsächlich weniger um slawisches Brauchtum und orthodoxes Erbe, sondern schlicht um die Macht.

Der starke Mann im Kreml ist beim Umbau des Staates nach seinem Bilde so weit vorangekommen, dass er eine Demokratisierung desselben fürchten muss. Und nicht zuletzt das unrühmliche Ende Viktor Janukowitschs in der Ukraine dürfte die Alarmglocken im Kreml zum Schrillen gebracht haben. Probates Mittel gegen die Opposition im eigenen Land sind äußere Gegner und Konflikte. Der Regimekritiker wird in Kriegszeiten unversehens zum Vaterlandsverräter – mit allen Konsequenzen.

Bis jetzt verfängt Putins Strategie im Inland, und der Westen hat wenig entgegenzusetzen. Außer Geduld. Denn selbst für die leiderprobten Russen ist der dauernde Alarmzustand keine erstrebenswerte Zukunft, und auch Putin wird seinem Land mehr bieten müssen, will er es nicht wirtschaftlich ruinieren. Bis alle Beteiligten eine gesichtswahrende Lösung gefunden haben und sich entsprechend bewegen, kann es dauern. Das ist beklagenswert für die Bewohner von Donezk und Umgebung. Aber zähe Verhandlungen sind allemal besser als eine weitere Eskalation des Konflikts. Auch die wäre schließlich möglich.