Die Kündigung war überzogen - aber das Eigentum von Firmen muss geschützt werden

Der damalige Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse, ein Politiker klarer Worte, sprach von einem „barbarischen Urteil von asozialer Qualität“. 2009 war das, und das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hatte gerade die Kündigung von Deutschlands bekanntester Kassiererin durch die Supermarktkette Kaiser’s Tengelmann durchgewinkt. Das Vergehen der Frau, die als „Emmely“ bekannt wurde: Sie hatte zwei nicht eingelöste Pfandbons eingesteckt. Der Wert: 1,30 Euro. Etwa gleich viel wert dürfte das Portiönchen Krabbensalat gewesen sein, das eine Hamburger Verkäuferin vor das Landesarbeitsgericht gebracht hat. Ihr Vergehen: Ein gekauftes Brötchen belegte sie mit etwas Krabbensalat – ohne den bezahlt zu haben. Das war dem Arbeitgeber Karstadt eine Kündigung wert.

Es gibt gleich mehrere Parallelen: Finanziell ging es um so gut wie nichts; beide Frauen hatten zuvor viele Jahre offensichtlich ohne größere Beanstandungen in ihren Unternehmen gearbeitet; und in beiden Fällen schien das Vertrauensverhältnis aus Sicht der Firma plötzlich derart zerrüttet, dass es angeblich keine Alternative gab, als zu kündigen. Auch eine Parallele: Wie Kaiser’s Tengelmann ist Karstadt am Ende gescheitert.

Mit seinem Urteil hatte das Bundesarbeitsgericht nicht nur in dritter Instanz über „Emmely“ entschieden – es hat zugleich eine Richtschnur für andere Fälle vorgegeben. Und die Parallelen zum Hamburger Fall erkennen selbst juristische Laien.

Muss sich deshalb ein Unternehmen gefallen lassen, dass sich seine Mitarbeiter an den Waren bedienen? Dass Verkäufer in der Lebensmittelabteilung essen, was ausliegt? Wo ist die Grenze des Erlaubten? Bei 50 Gramm Krabbensalat? Beim Apfel, der nicht verkauft werden konnte? Bei einem Endstück Filet, das nicht mehr ganz so appetitlich aussieht?

Wer sich am Eigentum des Arbeitgebers bedient, ohne zu zahlen, muss wissen, dass dies Konsequenzen hat. Aber die können gerade bei langjährigen Mitarbeitern auch deutlich unter der Ultima Ratio Kündigung liegen. Eine Abmahnung hätte hier sicher gereicht – auch um des Betriebsfriedens willen.