Die Buchpreisbindung schützt Autoren und Händler – und auch das Kulturgut Literatur

Bei Amazon kann man das eine oder andere Schnäppchen machen. Ein billiges Hemd hier, eine preiswerte Gartenschaufel da. Es soll auch Leute geben, die sich jedes Jahr eine neue Uhr gönnen, aber nicht bei Christ in der Mönckebergstraße, sondern bei Amazon. Der Internet-Versandhandel kann das nämlich ganz gut: die Preise schön niedrig halten. Anders als der Fachhandel und die Ladengeschäfte ächzen digitale Shopping-Paradiese weder unter hohen Mieten noch horrenden Personalkosten – die Arbeitsbedingungen bei Amazon sind ohnehin eine Sache für sich, wie unlängst ans Licht kam.

Was bei Amazon jedoch genauso ist wie überall sonst: Der neue Roman von Jojo Moyes kostet 14,99 Euro. Nicht 13,99 Euro, aber auch nicht 15,99 Euro, sondern den Preis, den sein Verlag für ihn festgelegt hat. In Amerika, aber auch in vielen europäischen Ländern ist das anders, weil es dort keine Buchpreisbindung gibt. Bei amazon.com sind Bücher teilweise um einiges billiger als in den amerikanischen Buchläden. Das ist der eine Grund, warum das in Seattle ansässige Weltunternehmen besonders an der Heimatfront so erfolgreich ist. Der andere ist die chronische Unterversorgung ganzer Landstriche, was Buchgeschäfte angeht. Wenn Buchhändler aufgeben, hat das heute immer auch mit der übermächtigen Online-Konkurrenz zu tun.

Und Amazon versucht derzeit, seine Position weiter auszubauen, indem es den Verlagen den Preis für E-Books (Marktanteil in Übersee: 22 Prozent) zu diktieren versucht. Aus Sicht der amerikanischen Big Player wie Hachette, die nicht anders als Amazon selbst Machtfaktoren im Literaturgeschäft sind, muss Deutschland das gelobte Buch-Land sein: Bücher, die aufgrund ihrer Eigenschaft als Kulturgut eine Ausnahmestellung auf dem eigentlich freien Markt haben – in den USA kaum vorstellbar.

Das Buch ist Europäern (noch) heiliger als Amerikanern, weshalb das in der Kunstszene diesseits des Atlantiks gefürchtete Freihandelsabkommen um die staatlichen Kulturförderungen wohl einen Bogen machen wird. Die Buchpreisbindung soll von dem Vertragswerk unangetastet bleiben. Besonders auf lange Sicht ist das ein gutes Zeichen, weil Vielfalt und Streuung so gewährleistet werden: Wenn ein Riese wie Amazon einfach die Konditionen selbst bestimmt, nach denen in der Branche Geschäfte gemacht werden, könnte das am Ende sogar der literarischen und handwerklichen Qualität von Belletristik-Titeln oder Sachbüchern schaden.

Gerade in einer Großstadt wie Hamburg ist die Verbreitung von Literatur noch intakt. Kaum ein Stadtteil, in dem nicht ein örtlicher Buchhändler des Vertrauens geistige Nahrung bereitstellt. Sicher, die Klage über ins Internet abgewanderte Kundschaft ist auch in Altona oder Winterhude zu hören, wo sich Buchhandlungen an veränderte Einkaufsgewohnheiten anpassen müssen. Ohne Online-Shop geht es heute nicht mehr.

Dass sowohl der Bund als auch Hamburg, das diesbezüglich übrigens als Pionier gelten darf, einen Preis für besonders gute und engagierte Buchhandlungen planen oder bereits ins Werk gesetzt haben, passt aber auch ins Bild: Vom Wettbewerb mit Amazon und der grundsätzlichen Gefahr, marginalisiert zu werden, ist kein Unternehmen ausgenommen, das in irgendeiner Weise mit Literatur zu tun hat. Die Textkultur muss sich allgemein um ihren bislang prominenten Platz in der Medienkonkurrenz bemühen. Freilich ergeben sich im Zeitalter von E-Readern und E-Books gerade da auch neue Möglichkeiten – Letztere gibt es mittlerweile auch in den virtuellen Abteilungen der Buchhandlungen oft. Und sie unterliegen selbstverständlich wie gedruckte Bücher der Buchpreisbindung, dem Bollwerk gegen die drohende Monopolisierung, das es zu erhalten gilt.