Bei den Festivals in Bayreuth und Salzburg verblasst der Glanz

Die ganz großen Festivals – Salzburg, Bayreuth, Aix, Wien, Luzern – sollen der beglückendste kulturelle Ausnahmezustand sein, den man für Geld kaufen kann. Tickets sind meistens teuer und immer begehrt, obwohl einem Karten für unbeliebte Bayreuth-Produktionen im Vergleich zu früher fast schon hinterhergeworfen werden. Man bekommt diese Künstler, Stücke, Sensationen nicht vor die Haustür gestellt, sondern muss mitunter weit und manchmal mühsam in die Provinz reisen, um sich dort von den überhaupt nicht provinziellen Eindrücken umhauen und bereichern zu lassen. Oder eben nicht. Denn seit Herbert von Karajan und Wolfgang Wagner, die legendären grumpy old men von Salzburg und Bayreuth, nicht mehr sind, bröckeln die Image-Fassaden der Prestigeadressen. Auch hier gilt jetzt Loriots Klassiker: Früher war mehr Lametta.

Die Gründe für diese Sinnkrisen sind ebenso besorgniserregend wie individuell, da jedes Festival seine Besonderheiten pflegt. In Bayreuth verhindern überholte Strukturen und das Festhalten an der Wagner-Dynastie mehr, als der Stammkundschaft lieb sein kann. Weltbesten Wagner können andere besser, sie haben nur nicht das legendäre Festspielhaus. Auch in Salzburg muss man Beispielhaftes im vollgestopften Spielplan suchen, die Mutproben dort sind nur noch Ausnahmen, nicht mehr die Regel. Als Gast auf Zeit aus Hamburg, einer „Kulturmetropole“, die in dieser Liga so überhaupt nicht mitspielt, ist der Neid dennoch groß.

Die großen Festivals möchten und sollen bestenfalls alles zugleich sein: elitär, aber auch populär, wegweisend, aber nicht abgehoben. Die Mäzene dürfen nicht verschreckt werden, und die jeweiligen Lokalpolitiker wollen in ihrer Kulturbanausigkeit nie mehr mitbezahlen, als sie unbedingt müssen. Meistens weniger. Spitzen-Festspiele sind zu Profitcentern umerzogen worden, sie müssen sich rechnen wie Margarinelieferanten. Im seltenen Idealfall aber zeigen diese Festivals ihrem Publikum eben immer noch, was möglich ist, wenn man beim Streben nach überwältigenden Eindrücken keine Kompromisse macht.