In der Diskussion über den Wissenschaftsstandort sollten wir uns auf fünf Tugenden und Werte besinnen, die diese Stadt prägen

Ich möchte zeigen, dass man den Profistandort Hamburg nicht schlechtreden darf, weil er in besonderer Weise am Charakter des Hanseatischen orientiert ist.

Das ist das Hanseatische als Haltung: Selbstbewusstsein, Zurückhaltung, Verlässlichkeit, Kommunikationsfähigkeit, Sparsamkeit. Es sind menschliche Eigenschaften, aber auch die unserer Universität.

Zunächst: Selbstbewusstsein. Das Hanseatische als Begriff ist fast 400 Jahre alt, die Haltung noch älter. Wissenschaft in Hamburg hat also allen Grund, sich mit der eigenen Geschichte der Stadt zu befassen, denn Selbstbewusstsein heißt auch Geschichtsbewusstsein, allerdings in allem, auch den dunkleren Facetten. Mit der wiedererstehenden universitären Kunstgeschichte in der Tradition Aby Warburgs ist das zum Beispiel der Fall.

Sodann: Zurückhaltung. Sie ist eine hanseatische Tugend, die mit der Wahrheit suchenden Haltung des Wissenschaftlers nahezu identisch ist. Zurückhaltung heißt deshalb, in der Lehre auf „didaktische“ Marketingmätzchen zu verzichten, auf dem Wort zu bestehen und auf der Bereitschaft zuzuhören. Zurückhaltende Führung heißt, den Ideen und Bedürfnissen der Hochschulmitglieder ausreichenden Platz einzuräumen und nicht „durchzusteuern“.

Des Weiteren: Verlässlichkeit. Der Erfolg eines Wissenschaftsstandorts hängt auch davon ab, ob die Forschungsförderorganisationen sich auf Zusagen des Landes verlassen können. Das ist der Fall, wenn die Stadtpolitik die Exzellenzbereiche der absoluten Weltklasse wie z. B. der Physik und der Klimaforschung, aber auch der Geistes- und Sozialwissenschaften verlässlich finanziert und gleichzeitig eine wettbewerbsfähige Grundfinanzierung für die gesamte Universität sicherstellt. Und: wenn Hochschullehrerinnen und -lehrer Vorbilder sind. Das heißt, wir wollen ein Studium bieten, das auch angesichts der immer jünger werdenden Studierenden ein Beitrag zur kritischen Persönlichkeitsentwicklung ist. Das nennt man Bildung.

Und dann: Kommunikationsfähigkeit. Eine alte kaufmännische Tugend, die Bedingung für jede Vernetzung war und ist. Netze können Gegenstand einer hanseatischen Forschungspolitik sein, Transportwege und -mittel, wie mit dem Luftfahrtcluster gegeben. Das Wasser, die Flüsse, das Meer, ihre Nutzung, aber gleichzeitig der nachhaltige Umgang mit ihnen, jedoch auch der Umgang mit dem Fremden – das sind nicht nur Touristen, sondern auch Migranten und Flüchtlinge. Und für all das benötigt man Sprachen. Davon kann man in der Universität über hundert erlernen. Hanseatischer kann eine Universität kaum sein.

Und schließlich: Sparsamkeit. Diese Tugend erfüllt sich heute weniger in der Schuldenbremse als im Gebot der Nachhaltigkeit, z. B. in der begehrten universitären Wirtschaftswissenschaft und der Sozialökonomie. Das heißt: nichts zu verbrauchen, was nicht wieder gewinnbar ist. Die Universität hat sich deshalb die Nachhaltigkeit als Leitbild gegeben. Nachhaltigkeit ist bei uns Objekt nicht nur der Klimaforschung, sondern in vielen Zweigen der naturwissenschaftlichen Grundlagenforschung bis hin zur Philosophie. Nachhaltige akademische Lehre ist gute akademische Lehre, wenn die Effekte nachwirken. So gründet die Universität gerade ein Zentrum, das sich mit der Erforschung besserer Lernbedingungen in unserer Hochschule befasst, mit allein drei Professuren. Die hanseatische Tugend der Sparsamkeit heißt auch: Rücklagen für den Notfall anzulegen und sich nicht anzuhören, die Universität habe wohl zu viel Geld. Nein, sie hat zu wenig, und deswegen wirtschaftet sie.

Ein hanseatischer Wissenschaftsstandort ist also ein Platz übersetzter Werte in unsere heutige Welt. Die Hochschulen in der Stadt tun das längst, und namentlich die Universität. Eigentlich könnte sie Hanseatische Universität Hamburg heißen.