Gesellschaftliche Konflikte wie die Elbvertiefung müssen politisch gelöst werden

Die Richterinnen und Richter am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig sind nicht zu beneiden. Der 7. Senat des Gerichts befasst sich dieser Tage mit der Bewuchssituation der Wiebelschmiele entlang der Ufer der Unterelbe und der technischen Wirkungsweise von Hopperbaggern, mit den Gelegegrößen der Uferschnepfe wie auch mit der Verfügbarkeit Baltischer Plattmuscheln in den Wattgebieten der Deutschen Bucht, einer wichtigen Nahrungsquelle für den Zugvogel afrosibirischer Knutt. Nicht zu reden vom Salz- und Schwebstoffgehalt des Elbwassers und den Feinheiten der Europäischen Wasserrechtsrahmenrichtlinie.

Das höchste deutsche Verwaltungsgericht muss beurteilen, ob die geplante Vertiefung und Verbreiterung der Unterelbfahrrinne im Einklang mit deutschem und europäischem Recht steht. In den 2000er-Jahren stärkte der Gesetzgeber die Umweltverbände darin, Planverfahren wie jenes zur Elbvertiefung stellvertretend für die Allgemeinheit beklagen zu können.

Zugleich wurden die Rechtszüge für die Beurteilung großer Infrastrukturprojekte verkürzt, um die Verfahren zu beschleunigen. Das Bundesverwaltungsgericht ist nun erste und zugleich letzte Instanz für die Beurteilung der Elbvertiefung. Rechtliche Präzisierungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) könnten zwar ergänzend noch nötig werden. Ein Urteil über das für Hamburg wichtigste Verkehrsprojekt der vergangenen Jahrzehnte aber wird in Leipzig fallen. Alle Prozessbeteiligten, die in der vergangenen und in dieser Woche die öffentliche Anhörung bei Gericht bestreiten, arbeiten diszipliniert und vorbildlich.

Das Gericht selbst, die beklagten Planungsbehörden des Bundes und der Stadt Hamburg, die klagenden Umweltverbände BUND und Nabu wollen nach einem langen Verfahren nun zu einem Ergebnis kommen. Seit 2006 liefen die Planungen zur Fahrinnenanpassung der Unterelbe. Als sie 2012 abgeschlossen waren, wurden sie von den Umweltverbänden sogleich beklagt, der Vollzug der Bauarbeiten vom Bundesverwaltungsgericht per Eilverfahren gestoppt.

Das Verfahren zeigt eindrucksvoll, wie die Gewaltenteilung in Deutschland funktioniert. Doch es bleibt ein schaler Beigeschmack. Denn es geht letzten Endes nicht nur darum, ob das 2600 Seiten umfassende Planverfahren im Rahmen der Gesetze steht. In der Gesamtschau, die das Gericht am Ende vornehmen muss, geht es um die Abwägung, ob das öffentliche Interesse an der wirtschaftlichen Entwicklung des Hafens schwerer wiegt als die Risiken für die komplexe Fauna, Flora und Geografie der Unterelbe.

Diese Abwägung indes sollte doch vor allem Bürgern und Parlamenten obliegen. Wenn es dabei Defizite gibt, müssten im Zweifel Planverfahren verbessert, Mitbestimmungsrechte von Anrainern gestärkt werden. Die Tendenz, gesellschaftliche Konflikte von höchsten Bundesgerichten entscheiden zu lassen, ist schlecht. Vor allem dann, wenn es wie bei der Weser- oder der Elbvertiefung um Themen mit sehr stark regional geprägten Umständen, Einflüssen und Auswirkungen geht.

Verfahren wie jenes zur Elbvertiefung benötigen bis zu einem Urteil Jahre wegen ihrer Komplexität. Der Effekt von Beschleunigungsgesetzen wird allein dadurch zum Teil schon wieder neutralisiert. Fraglich erscheint der Gang zu den Verwaltungsgerichten aber auch deshalb, weil er die Unfähigkeit der Gesellschaft zeigt, Konflikte außergerichtlich zu lösen. Gerade bei großen Infrastrukturprojekten fällt dies in den vergangenen Jahren immer öfter auf, vom Autobahn- oder Flughafenbau bis zur Flussvertiefung.

Für Antworten auf die Frage aber, wie dieses Land wirtschaftlich wachsen und zugleich ökologisch gedeihen soll, sind Richterinnen und Richter nicht die richtige Instanz.