Glauben Sie mir: Deutschland wird Weltmeister. Weil Mexiko wegen der Spanier nicht an Argentiniens Stelle steht. Oder so ähnlich

Die Zustimmungsraten für die FDJ dürften bei etwa 99,9 Prozent liegen. Ja, die Freunde des Jogi erleben gerade schöne Zeiten. Und mit rechthaberischem Impetus fordern sie die Entschuldigung all jener, die es gewagt hatten, an Jogis Weisheit zu zweifeln. Liebe FDJ: Das könnt ihr vergessen.

Dazu muss man erklären, dass ich an die Zwei-Welten-Theorie glaube: Die eine Welt ist die reale, in der auch für mich die Maßstäbe der Vernunft und des Anstands gelten – die andere ist Fußball. Und in der gelten andere Regeln. Erst reden, dann denken, ist die erste. Die zweite lautet: Der Bundestrainer, dessen Rücktritt ich nicht schon beim kleinsten Fehler fordere, muss erst noch geboren werden. Und Mustafi war kein kleiner Fehler ...

Ich verfüge eben über einen so geballten Fußball-Sachverstand, dass ich mit meinen Thesen eigentlich immer richtig liege. Zumindest wenn man das Wort „eigentlich“ großzügig interpretiert. Auch wenn ich falsch lag, so waren meine Argumente doch stichhaltig, logisch, fachkundig – kurz: verdammt gut. Und ich weiß, dass es Millionen Deutsche gibt, denen es genauso geht.

Mit meinem geschulten Auge habe ich zum Beispiel beim Spiel Spanien gegen Holland nach 25 Minuten erkannt, dass sie chancenlos sein werden. Ich meinte die Holländer. Sie lagen 0:1 hinten, die Spanier ließen den Ball rotieren, wie sie es seit Jahren eben tun. Sie hatten mit Costa einen neuen Superstürmer. Und Holland? Sneijder ist über den Zenit, Robben ausrechenbar, der Rest: zu unerfahren. Dass die Spanier 1:5 verloren, das war einfach unlogisch.

Ganz anders Chile: Es war zwingend logisch, dass sie Weltmeister werden. Eine extrem motivierte, spielstarke Truppe, die aus lauter Konditionswundern besteht. Die grundsätzlich dahin gehen, wo es (den anderen) wehtut. Die auf einer nie gekannten Euphoriewelle dahinglitten. Sie mussten Brasilien im Achtelfinale einfach schlagen. Gescheitert sind sie nur, weil sie Pech (mit dem Schiedsrichter), noch mehr Pech (Lattenschuss in der 119. Minute) und abermals Pech (im Elfmeterschießen) hatten. Ich hatte also mal wieder (eigentlich ) recht.

Genau wie mit Honduras. Okay, sie sind mit null Punkten und 1:8 Toren in der Vorrunde ausgeschieden – und nicht erst im Viertelfinale, wie von mir prophezeit. Dennoch lag ich nicht wirklich falsch, denn die Grundthese lautete ja eigentlich, dass ein mittelamerikanisches Land unter die letzten acht kommt. Und das hat Costa Rica ja auch geschafft.

Dass mein Mexiko-Tipp (neben Chile waren die Mexikaner mein WM-Favorit) nicht hinhaute, war eigentlich gar kein Fehler. Es war nur die Fortsetzung einer älteren Fehleinschätzung. Weil Holland, wie erwähnt, eigentlich gegen Spanien nicht hätte gewinnen können, hätte es auch kein Achtelfinale Mexiko – Holland geben dürfen, und deswegen .... kurzum: Mexiko stünde Sonntag gegen uns im Endspiel.

Und bei der deutschen Mannschaft lag ich nun wirklich immer richtig. Ich wusste, dass es ein enges Spiel gegen Portugal werden würde (was es ja auch war, wenn man sich Elfmeter und Rote Karte wegdenkt). Ich kannte das 1:0 gegen die Amis vorher (geht doch immer so aus), ich habe den klassischen Durchhänger in der Turniermitte (diesmal gegen Algerien) vorhergesagt, mich haben auch die darauffolgenden Siege (einmal knapp, einmal deutlich) keineswegs überrascht – die Reihenfolge allerdings schon ein bisschen.

Auch bei der Aufstellung blieb ich (im Gegensatz zu Löw) ohne Fehl und Tadel. So hat niemand vor mir gefordert, Lahm rechts verteidigen zu lassen (Minute 16 im Portugal-Spiel). Ich habe völlig zurecht Podolski gefordert, der von Löw dann aber im falschen Spiel gebracht wurde, weshalb er völlig zu unrecht ein schlechtes Spiel machen musste. Und ich bleibe dabei, dass Höwedes hinten links eine Fehlbesetzung ist – soll mir doch einer beweisen, dass Eric Durm auf der Position nicht zum neuen WM-Star geworden wäre.

Und nun, liebe Mitbürger, kann ich Sie beruhigen. Ja, wir werden Weltmeister. Und ja: Diese Mannschaft wird auf Jahrzehnte hinaus unschlagbar sein. Glauben Sie mir, ich bin Experte.

Die HSV-Kolumne „Matz ab“ finden Sie täglich im Internet unter www.abendblatt.de/matz-ab