Das Kirchenjahr gibt noch immer den Jahresrhythmus vor

Die digitale und globale Welt schläft nie. Sie kennt weder Tag noch Nacht, sondern 24 Stunden lang Echtzeit-Modus, Stand-by und Aktivität. Zum Glück aber gibt es jetzt drei Tage lang Pfingsten. Ein langes, hochsommerliches Wochenende mit vielen Freizeit- und Erholungsmöglichkeiten. Dass dieser Feiertag seit Jahrhunderten fest im Kalender steht, verdankt die Gesellschaft letztlich der Kirche. Bis in die postmoderne Epoche hinein prägt das sogenannte Kirchenjahr mit Weihnachten, Ostern, Himmelfahrt, Pfingsten oder (in katholischen Ländern) Allerheiligen den Rhythmus des öffentlichen Lebens. Ohne die kirchlichen Festtraditionen und Sinnangebote gäbe es keine wirksame und verbindliche Strukturierung der Zeit in Feiertag und Alltag.

Es ist erstaunlich, dass die christlichen Festzeiten bis heute den Takt vorgeben und zum kulturellen Gedächtnis der Gesellschaft gehören. Denn die Kirchen haben ihre Deutungs- und Orientierungskraft für das Leben sehr vieler Menschen verloren. Aber die Festtage wie Weihnachten, Ostern und Pfingsten sind fest im Bewusstsein verankert und werden – wie die Sonntage – durch das Grundgesetz als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung geschützt.

Aufgabe von Politik, Gewerkschaften und Kirche sollte es sein, sich weiter für den Schutz der Sonn- und Feiertage einzusetzen und einem Ökonomismus zu wehren, der immer mehr von der Lebenszeit eines jeden Einzelnen in Anspruch nehmen will. Der Mensch bedarf der Festzeiten, um neue Kräfte zu tanken und das Gemeinschaftsgefühl in der Familie und anderen sozialen Verbänden zu stärken.

Damit die hohen kirchlichen Feste wie Pfingsten nicht zu bloßen verlängerten Wochenenden degradiert werden, ist es wichtig, die ursprüngliche religiöse Story jedes Jahr aufs Neue zu erzählen. Pfingsten feiern die Christen das Kommen des Heiligen Geistes und den Geburtstag der Kirche. Viele Heiden ließen sich vor rund 2000 Jahren taufen. Und sie verstanden einander über alle sprachlichen, nationalen und religiösen Grenzen hinweg. Das Kirchenjahr mit diesem zentralen Ereignis der Heilsgeschichte zeigt: Mit Gottes Geist gibt es Völkerverständigung.