Das Ausgrenzen der Alternative für Deutschland ist nicht nur undemokratisch – es ist dumm und gefährlich

Es gibt viele Gründe, die Alternative für Deutschland (AfD) abzulehnen: Ihr Ziel, die Euro-Zone zu zerlegen, ist so dumm wie gefährlich. Ihr Personal ist, gerade in der zweiten und allen weiteren Reihen, mit Vorsicht zu genießen. Und ihr Wahlkampf war so polemisch wie populistisch. Der Slogan „Griechen leiden, Deutsche zahlen, Banken kassieren“ reimte sich auf Plakate der Linkspartei; der Spruch „Wir sind nicht das Weltsozialamt“ erinnerte an die NPD.

Und doch weiß man nicht, was schlimmer ist: der Einzug der Europakritiker in viele Parlamente oder der Umgang der Altparteien und der Öffentlichkeit mit den Politneulingen. Hier wird ein Mangel an Streitlust und Debattenverweigerung demonstriert, den man in einer gefestigten Demokratie nicht erwartet hätte.

CDU-Fraktionschef Volker Kauder erklärte nun öffentlich, er werde Fernseh-Talkshows fernbleiben, in denen Politiker der AfD auftreten: „Mit denen möchte ich nicht in Talkshows sitzen.“ Nun kann man lästern, jede Talkshow ohne Kauder sei ein Gewinn. Ausgerechnet der Mann, der den politisch törichten Satz „In Europa wird wieder Deutsch gesprochen“ geprägt hat, muss ja verdammt viel Angst vor den Neuankömmlingen haben, dass er sich jeder Diskussion verweigert. Nun ist der Kampf gegen rechts außen so edel wie gut. Gerade Kauder als Baden-Württemberger sollte aber zunächst vor der eigenen Tür kehren: In seinem CDU-Landesverband war das überzeugte NSDAP-Mitglied und zugleich Scharfrichter der Marine, der spätere Ministerpräsident Hans Filbinger, bis zu seinem Tode im Jahr 2007 sogar Ehrenvorsitzender.

Und auch wenn es gern vergessen wird – mit welcher Partei ließ sich die Union ein, um in Hamburg an die Macht zu kommen? Mit der Schill-Partei, die sich ebenfalls in einer rechten Ursuppe bewegte. Der dritte Koalitionspartner hieß damals übrigens FDP. Deren Europakandidat Michael Theurer nannte den AfD-Parteichef Lucke nun einen „verkappten Salonfaschisten“. Geht’s nicht eine Nummer kleiner?

Auch die Grünen gehen nicht zimperlich mit den „rechtspopulistischen“ Gegnern um. In Göttingen rief die Parteijugend sogar dazu auf, gegen Wahlkämpfer der AfD aktiv vorzugehen. Derlei Aufrufe waren gar nicht nötig, denn in vielen Orten der Republik griffen selbst erklärte Antifaschisten AfD-Stände an, terrorisierten deren Kandidaten oder zerstörten Plakate. In Hamburg-Hamm bedrohten laut Polizei vorletzte Woche zwei mit Baseballschlägern bewaffnete Linksextremisten Mitglieder der Alternative für Deutschland. Auf alle Angriffe reagierten die meisten politischen Gegner mit Schulterzucken. Einer der wenigen, die den Mund aufmachten, war der Hamburger SPD-Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs, er nannte Angriffe „widerlich“. Man sollte sich häufiger an Rosa Luxemburg erinnern: „Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden.“

Wohlgemerkt geht es hier nicht um den Dialog mit Faschisten oder Rechtsextremisten, sondern um die AfD. Man mag sie Rechtspopulisten oder Rechtskonservative schimpfen, die Faschismus-Keule aber ist historisch geschmacklos. Und es ist ein Armutszeichen für eine Demokratie, wenn man sich nicht mehr der politischen Debatte stellt. Die einfachen Antworten der AfD kann man mit kritischen Fragen und klugen Thesen besser bekämpfen als mit Gewalt. Leider beschränken sich viele AfD-Gegner auf plumpen Anti-Intellektualismus. Was rief ausgerechnet Michel Friedman Parteichef Lucke empört zu? „Herr Professor, Herr Professor.“

Das ist nicht nur zu wenig, es ist auch gefährlich. Wer die inhaltliche Auseinandersetzung mit den Euro-Kritikern scheut und ihre Wähler zu Rechtsradikalen abstempelt, wird die Partei nicht schwächen, sondern sie stärken. Sie nähren genau die wilden Verschwörungstheorien, die im Internet längst kursieren.

Eine starke Demokratie wird mit der AfD fertig. Auch die lange verfemte Linkspartei hat in den vergangenen Jahren gezeigt, dass sie die politische Debatte beleben kann – ob Gregor Gysi in der Ukraine-Diskussion oder Sahra Wagenknecht zur Finanzkrise. Vielleicht gelingt das auch der AfD. Sollte die Partei aber nur halb so schlimm sein, wie ihre Gegner glauben machen, wird sie sich angesichts ihrer irrlichternden Parteigänger selbst erledigen. Etwas weniger Schaum vor dem Mund und etwas mehr Argumente auf der Zunge wären ein guter Weg. Nicht nur für Volker Kauder.

Matthias Iken beleuchtet in seiner Kolumne jeden Montag Hamburg und die Welt