Die heimlichen Kontrollzonen im Norden sind ein Skandal

Im Februar, nach den Attacken gegen Hamburger Polizeiwachen, hatte die Debatte um Gefahrengebiete auch Schleswig-Holstein erreicht. Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) hielt diese Gebiete als letztes Mittel der Polizei („Ultima Ratio“) für gerechtfertigt. Und das Kieler Innenministerium assistierte: Ja, die Einrichtung von Gefahrengebieten sei auch in Schleswig-Holstein grundsätzlich möglich, aber mit einer Reihe von Einschränkungen verbunden.

Wir können es machen, aber wir machen es noch nicht, sollte das wohl heißen. In der Politik lehnte man sich beruhigt zurück: Alles nicht so schlimm in Schleswig-Holstein, alles viel schlimmer in Hamburg. Doch die Wahrheit sieht ganz anders aus. Einzelne Polizeidirektionen weisen – unbemerkt von der Öffentlichkeit – seit Jahren in großem Umfang Gefahrengebiete aus. Ganze Kreise wie Pinneberg, ganze Städte wie Neumünster sind davon betroffen. Freiheitsrechte werden in diesen Regionen dauerhaft außer Kraft gesetzt. Jeder Bürger kann dort jederzeit und ohne Grund von der Polizei angehalten werden.

Juristisch mag das in Ordnung sein, dem Geist des Gesetzes widerspricht es auf jeden Fall. Gefahrengebiete sind polizeiliche Ausnahmeregelungen, von denen möglichst zurückhaltend Gebrauch gemacht werden sollte. Eben deshalb, weil die Freiheitsrechte der Bürger in einer Demokratie ein großes Gewicht haben.

Von einem zurückhaltenden Gebrauch kann allerdings nicht die Rede sein, wenn die Stormarner Polizei regelmäßig einen Teil des Kreises in den Wintermonaten zur Sonderzone erklärt. Und das auch noch ohne Erfolg. Die Zahl der Einbrüche, die man bekämpfen will, steigt dort weiter an.

Von einem zurückhaltenden Gebrauch kann erst recht nicht die Rede sein, wohl aber von einem Skandal, wenn man sich das nun schon fünf Jahre währende Außerkraftsetzen dieser Freiheitsrechte durch die Polizeidirektion Neumünster vor Augen führt. Innenminister Andreas Breitner sollte schnellstens reagieren. Verbrechensbekämpfung mithilfe eines gerichtlichen Gefahrengebiets-Abos – das ist am Ende auch ein Armutszeugnis für die Landespolizei.