Von August an wird die Kita-Betreuung für viele kostenlos – ein Akt der Gerechtigkeit

Eine staatliche Leistung, die zudem nur einer bestimmten Gruppe zugutekommt, wird günstiger – solche Vollzugsmeldungen wie jene, die der Hamburger Senat am Dienstag absetzen konnte, gibt es wahrlich nicht alle Tage. Von August an werden Kinder täglich fünf Stunden lang kostenfrei in den Kitas betreut, und das Essen ist da auch schon mit drin. Wer mehr Stunden benötigt, muss nur den Teil bezahlen, der oberhalb der fünf Stunden liegt. Das kann für die Familien Einsparungen von bis zu 200 Euro monatlich bedeuten.

Es geht hier also um viel. Um viel Geld einerseits, aber auch um Gerechtigkeit. Dieser Punkt mag zunächst unklar sein – wieso ist es gerecht, eine bestimmte gesellschaftliche Gruppe zu entlasten, und zwar auf Kosten der Allgemeinheit?

Das jedoch ist schnell beantwortet: Anders als bei Hoteliers, die die Mehrwertsteuer sparen, oder subventionierten Braunkohle-Bergarbeitern wird hier das Fundament unserer Gesellschaft gesichert und gestärkt. Ohne Kinder, ohne Familien ist keine Zukunft für die Gesamtheit planbar. Sie sind, um es im Bankendeutsch zu sagen, extrem systemrelevant – und zwar auch für jene, die selbst keine Kinder haben, aber irgendwann von den Steuer- und Beitragszahlungen der nachwachsenden Generationen profitieren müssen.

Sind diese Erkenntnisse Banalitäten? Dazu ein persönlicher Rückblick. Bei meinem ersten Kind, das 2003 geboren wurde, gab es kein Elterngeld, wenig steuerliche Rückerstattung für Betreuungsausgaben und monatliche Kita-Kosten in Höhe von 370 Euro plus Essensgeld – mal ganz abgesehen davon, dass die Suche nach einem der wenigen Betreuungsplätze zuweilen entwürdigend war. Zwar gab es Erziehungsgeld mit einem Höchstsatz von 300 Euro, aber den bekamen nur jene, die ohnehin arm dran waren. Eltern mit einem normalen – nicht üppigen! – Einkommen gingen komplett leer aus und waren durch Gehaltsausfälle und die anfallenden Zahlungen schnell finanziell in einer Notsituation; oftmals musste das Ersparte dran glauben, aus meinem Bekanntenkreis verließen viele die gefragten Innenstadt-Wohnbereiche und verabschiedeten sich nach Niedersachsen und Schleswig-Holstein.

Bei meinem zweiten Kind, geboren 2009, gab es Elterngeld in Höhe von monatlich 1800 Euro, die Kita-Kosten lagen bei mehr als 400 Euro (und kurzzeitig bei gut 500 Euro dank schwarz-grüner Politik), Plätze waren immer noch rar, aber die steuerliche Absetzbarkeit war verbessert worden. Und bald: Elterngeld, Kita-Platz-Garantie, fünf Stunden freie Betreuung, Steuerbefreiung für einen Teil der dennoch anfallenden Zahlungen.

Wir reden hier also über einen Zeitraum von nur zehn Jahren für einen kompletten Paradigmenwechsel, um das, was heute offenkundig (oder banal) zu sein scheint, in greifbare Politik umzusetzen, und es muss dem amtierenden Senat zugutegehalten werden, dass vieles davon in jüngster Zeit umgesetzt wurde. Mehr Kinder wird es deswegen nicht zwangsläufig geben, denn in diese sehr persönliche Entscheidung fließen noch andere Faktoren hinein; manche, etwa die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, sind von der Politik beeinflussbar, andere unterliegen dem Zeitgeist.

Es wäre aber falsch, diese getroffenen Verbesserungen nur unter der Vorgabe der Gebärquote zu beurteilen. Es geht darum, Kinder aus ausländischen Familien oder solchen mit RTL2-Bildungsstand frühzeitig mit Sprach- und Sozialkenntnissen auszustatten, um ihnen eine Chance in Schule und Beruf zu geben. Und es geht gerade für Hamburg darum, die bestehenden Familien in den Grenzen des Stadtstaates zu halten. Dabei ist die finanzielle Grundlage wichtig, aber auch das Gefühl, gewollt zu sein mit Kindern, und zwar nicht nur in den Randbezirken, sondern überall.