Die deutschen Olympioniken drohen den Anschluss an die Weltspitze zu verlieren

Die Olympischen Winterspiele in Sotschi, das vorweg, waren perfekt organisiert. Die Sportler lobten trotz schwieriger Wetterlagen fast uneingeschränkt die optimalen Wettkampfbedingungen, das Essen wie die Quartiere, vor allem deren Nähe zu den Sportstätten, und die Russen präsentierten sich als überaus herzliche Gastgeber. Wer die Gastfreundschaft in diesem Lande kennt, die jedem Fremden zuteil wird, den konnte diese Zuwendung nicht überraschen.

Zu beklagen bleibt, dass zahlreiche Firmen ihre Bauarbeiter bis heute nicht entlohnt haben. Das ist kein russisches Problem, eher eins des Turbokapitalismus, der Gier über Gerechtigkeit stellt, wie die Kirchen in Deutschland jüngst kritisierten. Ob die Spiele das gesellschaftliche Klima in Russland verändern, liberalisieren werden, darf bezweifelt werden. Olympia ist damit überfordert. Die Region um Sotschi wird von Milliarden-Investitionen profitieren. Hier entstehen Tausende neuer Arbeitsplätze.

Die Bilanz der deutschen Mannschaft fällt dagegen nüchtern aus. Festzustellen ist, dass es in Sotschi eindeutig zu wenig Rodelrennen gab, gerade vier. Die Niederländer waren da besser dran. Ihre Eisschnellläufer durften zwölfmal um Gold gleiten, entsprechend weit vorn platzierten sie sich mit acht Olympiasiegern im Medaillenspiegel. Rang sechs und 19 statt erhoffter 30 Medaillen ist die schlechteste Ausbeute einer deutschen Wintermannschaft seit der Wiedervereinigung. 2006 in Turin waren die Deutschen die erfolgreichsten Olympioniken, 2010 in Vancouver holten nur die USA mehr Medaillen.

Die deutschen Sportler, das zeigten schon die Sommerspiele 2012 in London, beginnen, sich in vielen Disziplinen von der Weltspitze zu entfernen. Überraschend kommt diese Entwicklung nicht. Immer mehr Staaten haben entdeckt, wie viel weltweites Prestige in Olympiamedaillen steckt. Entsprechend großzügig unterstützen sie ihre Athleten. Das hiesige Leistungssportsystem, bemängeln Sportler und Trainer, sei dagegen ineffektiv, fördere Masse, nicht Klasse, es fehle an Geld, das Ganztagsschulsystem erschwere Vereinen und Verbänden den Zugang zu Talenten. Und überhaupt: Die Unterstützung aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft sei zu gering, sie beschränke sich oft auf Grußworte. Aus Sicht der Betroffenen mögen die Klagen zutreffen. Die entscheidende Frage wäre dann: Was sind den Deutschen Medaillen noch wert?

Viel, lautet die Antwort der Stiftung Deutsche Sporthilfe, die zu diesem Thema vor drei Jahren eine Studie in Auftrag gab. Demnach halten 97 Prozent der befragten Unternehmen Spitzensport für förderungswürdig, die Hälfte der Firmen sieht Spitzensportler als „Botschafter der deutschen Wirtschaft“. Sie stünden für das „Made in Germany“, seien unverzichtbare Imageträger. Aber: Nur 31 Prozent weisen dem Spitzensport für ihre Geschäfte Bedeutung zu. Dabei sollte das breite Interesse der Deutschen an sportlichen Erfolgen, das belegen einmal mehr die Einschaltquoten bei ARD und ZDF aus Sotschi, eigentlich Ansporn für größeres Investment sein.

Die Lösung glaubt die Handelskammer Hamburg zu haben: eine Olympiabewerbung. Sie verweist auf die Briten, die dank der Spiele in London schneller laufen, höher springen und stärker sind, weil staatliche und private Programme nicht nur dem Spitzen-, auch dem Breitensport belastbare Grundlagen schufen.

In fünf Wochen berät der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) über eine neue Olympiakampagne. Viel Hoffnung auf einen positiven Entscheid sollten sich die Vertreter der Hamburger Wirtschaft nicht machen. Der DOSB tendiert zu einer Kandidatur frühestens für 2028. Bis dahin, ist zu befürchten, wird die viertgrößte Wirtschaftsmacht der Welt im Spitzensport gegen den Abstieg aus den Top Ten kämpfen müssen.