Wohin der Zukauf von WhatsApp das soziale Netzwerk führt, kann man nur erahnen.

Wenn der wohl Aufsehen erregendste digitale Deal der letzten Zeit ein Gutes hat, dann wohl, dass sich viele Menschen mehr Gedanken um die Sicherheit ihrer Daten machen. Facebook hat den Kurznachrichtendienst WhatsApp für 19 Milliarden Dollar gekauft. Und damit Zugriff nicht mehr nur auf die Daten seiner gut 1,25 Milliarden eigenen Nutzer, sondern auch auf die der schätzungsweise 450 Millionen Menschen, die, statt SMS zu schreiben, lieber auf den weltweit beliebtesten Dienst dieser Art setzen. Und große Nutzerzahlen gelten als bester Garant für langfristiges Verbleiben am Markt.

Genau wie durchschaubare Nutzerdaten. Dass der blaue Netzwerk-Gigant hart am gläsernen User arbeitet und möglichst viel über die Benutzer herausfinden möchte, ist bekannt. Der Erwerb von WhatsApp ist da nur konsequent. Die App, die das schnelle und kostenfreie Austauschen von Texten, Bildern und Audio-Schnipseln gestattet, ist nämlich mindestens genauso neugierig wie Facebook. Wo sich der Nutzer befindet, was er mit Freunden bespricht, welche Apps auf dem Smartphone laufen, der Inhalt des privaten Telefonbuches – das und noch viel mehr protokolliert das kleine, ach so praktische Programm. Und sendet seine Erkenntnisse auf US-Server.

Darüber hinaus beklagen Sicherheitsexperten, dass die Kommunikation über WhatsApp alles andere als sicher ist und leicht von Dritten abgehört werden kann. Theoretisch ist es sogar für versierte Hacker möglich, über Lücken im Code von WhatsApp Zugriff auf Mikrofon und Kamera des Telefons zu erhalten – ohne dass der Nutzer dies merkt. Die Hochzeit der beiden Datenkraken sorgte entsprechend für einige Unruhe, sichere Alternativen im Markt der Kurznachrichten profitieren.

Doch nicht nur die Hoheit über die eigenen Daten wird für die Nutzer beider Programme schleichend ausgehöhlt. Auch die Art und Weise, wie wir in der digitalen Welt kommunizieren, fällt zunehmend in die Hände einer einzigen Firma. Die monströse Ausgabe von Mark Zuckerberg, sie ist mehr als ein bloßer Abwehrkauf, um junge Nutzer zurückzugewinnen, wie gern gemutmaßt wird. Sie zeugt vielmehr davon, dass Facebooks erklärtes Ziel („connect the world’s people“) weniger harmlos ist, als es zunächst auf viele wirken mag.

Genau wie der Erwerb des Bilder-Netzwerkes Instagram für eine Milliarde Dollar im April 2013 legt auch die Übernahme von WhatsApp die Vermutung nahe, dass Facebook plant, viele unterschiedliche digitale Kommunikationskanäle zu kontrollieren.

Davon zeugen die gelungenen Übernahmen genauso wie die missglückten. Immer geraten Firmen in Facebooks Investitions-Fadenkreuz, die auf das soziale Miteinander im digitalen Raum setzen, zumeist mit Funktionen, die Facebook selbst nicht bietet. Es sieht so aus, als ob die unauffällige Diversifizierung innerhalb des Meta-Marktes Kommunikation und Vernetzung der grundlegende Antrieb der Wachstumspolitik von Facebook wäre. Spezielles Augenmerk legt das Unternehmen zudem auf die einzelnen Stärken der Konkurrenten im mobilen Markt.

Der bereitet Facebook nach wie vor Probleme. Die eigene App wird von vielen Nutzern eher zähneknirschend akzeptiert als begeistert benutzt. Instagram hingegen existiert primär als mobile App, der hochgradig erfolgreiche SMS-Ersatz WhatsApp ebenso. Wie Zuckerberg direkt von dem Milliardengeschäft profitieren kann, ist vermutlich nicht einmal ihm und seinen Beratern klar – abseits von eher diffusem Smartphone-Know-how. Dass der Zukauf ihm auf lange Sicht strategisch nutzen wird, daran ist jedoch kaum zu zweifeln.

WhatsApp ist nur ein Steinchen in einem Mosaik, dessen Motiv man bislang allenfalls erahnen kann.

Der Verfasser ist Autor im Ressort Kultur und Medien