Heute, zwölf Monate vor Ablauf der Legislaturperiode, wissen die Hamburger, was sie tatsächlich von Scholz erwarten können.

Wenn Olaf Scholz sich den Zeitpunkt einer Wahlumfrage hätte wünschen können, hätte er wohl kaum eine der vergangenen Wochen genommen. Denn nach der aufgeladenen Diskussion um die Rote Flora, um Gefahrengebiete, Lampedusa-Flüchtlinge und Esso-Häuser, die Hamburg bundesweit in die Schlagzeilen gebracht hatten, musste der Bürgermeister befürchten, dass sein Ansehen und das seines Senats gelitten haben. Gerade wegen der wütenden Proteste von links gegen Scholz unkten viele Beobachter schon, dass die Zeiten einer SPD-Alleinregierung vorbei seien.

So kann man sich irren. Wäre an diesem Sonntag Bürgerschaftswahl, könnte der Bürgermeister weiter ohne fremde Hilfe regieren. Die schwierigen politischen Ereignisse und die harte Kritik von links haben dem Senat nur marginal geschadet. Zwar kommt die SPD nicht, wie in den Befragungen 2012 und 2013, auf mehr als 50 Prozent. Doch mit 48 Prozent würde sie exakt das Ergebnis der Wahl vor drei Jahren erreichen. Zur Erinnerung: Damals gab es eine sehr große Wechselstimmung in der Stadt, damals war der CDU-Bürgermeister Christoph Ahlhaus gegen Scholz etwa so chancenreich wie der HSV im DFB-Pokal gegen den FC Bayern München. Und damals konnte man Scholz nur anhand seiner Versprechen, nicht anhand seiner Taten bemessen.

Heute, zwölf Monate vor Ablauf der Legislaturperiode, wissen die Hamburger, was sie tatsächlich von Scholz erwarten können – und sind damit größtenteils einverstanden. Sogar den Kurs, den der SPD-Senat bei der inneren Sicherheit fährt, goutiert eine Mehrheit von 53 Prozent. Zusammengefasst: Scholz steuert auf eine Wahl zu, die ihm zum zweiten Mal in Folge eine absolute Mehrheit bescheren könne.

Das müsste, wie die Sonntagsfrage überhaupt, vor allem der Opposition, sprich allen anderen Parteien in der Bürgerschaft, zu denken geben. Denn Scholz’ Stärke ist auch ihre Schwäche. Zwar würde sich die CDU, wäre jetzt Wahl, um knapp zwei Prozentpunkte verbessern. Aber nach dem historischen Ausrutscher 2011 kann das kein Grund zur Freude sein, im Gegenteil.

Offensichtlich ist es der Union genauso wenig wie den Grünen gelungen, sich seit dem Abschied aus der Regierung so zu erneuern, dass es die Wähler honorieren würden. Und genauso wenig hat man es geschafft, Scholz und den SPD-Senat angreifbar zu machen. Dass das bis zur Bürgerschaftswahl im Februar 2015 glückt, ist fraglich. Wenn man ehrlich ist, glaubt selbst in der Opposition niemand daran. Mehr noch: Dort scheint man sich mit der Übermacht des Bürgermeisters abgefunden zu haben. Die Frage lautet nicht mehr, ob Scholz siegt, sondern nur noch, wie hoch.