Norddeutschland ist das Kraftzentrum der Energiewende

Die Debatte über die Energiewende verläuft noch weit chaotischer, als es zu Jahresbeginn zu erwarten war. Der Streit geht mitten durch Parteien, er spielt sich in den Bundesländern ab und erst recht zwischen den Regionen. Selbst innerhalb der Branche der erneuerbaren Energien gibt es Zwist. Es herrscht der Eindruck vor, dass etliche Beteiligte maximalen Nutzen bei minimalem Aufwand aus diesem so wichtigen Vorhaben ziehen wollen.

Die Energiewende hat im Prinzip drei Ebenen: eine technologische, eine wirtschaftliche und eine politische. Technologisch ist klar, dass die Windkraft die wesentlichen Erträge erbringen muss, wenn erneuerbare Energien zur Grundlage der Versorgung in Deutschland werden sollen. Nur mit einem Ausbau der Windkraft in den Küstenländern – an Land und auf der Nord- und Ostsee – ist das zu erreichen. Vor allem der Norden erzeugt Windenergie in der nötigen Größenordnung, um sie als Basis für die Versorgung des gesamten Landes nutzen zu können. Wirtschaftlich bedeutet dies, dass die erneuerbaren Energien zuerst im Norden konkurrenzfähig mit konventionellen Kraftwerken werden. Sobald Windenergie in größeren Mengen speicherbar ist – in Nahwärmesystemen, Pumpspeichern oder als Wasserstoff – wird diese neue Infrastruktur dem heutigen Versorgungssystem ökonomisch und ökologisch überlegen sein.

Vor allem die politische Ebene allerdings erweist sich derzeit eher als Dschungel. Es ergibt keinen Sinn, Partialinteressen in den Vordergrund zu rücken, wenn die Energiewende dem gesamten Land Nutzen bringen soll. Vom Ausbau der Windkraft im Norden profitieren heute bereits die Industriezentren in Nordrhein-Westfalen und in Süddeutschland. Denn dort werden der Stahl und die meisten Komponenten für die Windkraftwerke gefertigt. Wahrscheinlich werden Bayern und Baden-Württemberg künftig Strom von der Küste importieren, was vielen im Süden nicht gefällt. Dann allerdings wird sich auch eine andere Größe verändern: Der Norden, der von der Windkraft profitiert, braucht künftig weit weniger Geld aus dem Länderfinanzausgleich. Weniger Geld also vor allem aus dem Süden Deutschlands.