Politik und Wirtschaft müssen dafür kämpfen, dass das Ansehen der Industrie steigt.

Um das Ansehen der Industrie ist es in der modernen Gesellschaft nicht gut bestellt. Galten architektonisch aufwendig gestaltete Fabriken mitten in der Stadt früher als Ausdruck von deren Fortschrittlichkeit, sind es im postindustriellen Zeitalter die Glaspaläste der Unternehmensverwaltungen, welche die Silhouette fortschrittlicher Städte bestimmen. Die Produktion findet weit draußen auf der grünen Wiese statt. Und wann immer Industriebetriebe dort Erweiterungsflächen bebauen oder auch nur eine weitere Zufahrt schaffen wollen, gibt es Ärger mit den Einfamilienhaussiedlungen in der Nähe. Das Nebeneinander von industrieller Produktion und städtischem Wohnen verläuft nicht spannungsfrei. Das gilt umso mehr für Stadtstaaten wie Hamburg, in denen Wohnraum und Arbeitsstelle so dicht beieinanderliegen. Hinzu kommen neue Auseinandersetzungen über die Energieversorgung, wie das Beispiel des Kohlekraftwerks Moorburg zeigt, oder über den Hafen, der auf die Elbvertiefung wartet.

„Viele Menschen verbinden Industrie mit Dreck und Schmutz“, sagte der Vorsitzende des DGB Nord Uwe Polkaehn bei der Vorstellung des Hamburger Masterplans Industrie am Dienstag. Und auch der Chef des Industrieverbands Hamburg (IVH), Michael Westhagemann, betonte, Hamburg müsse bei seinen Bürgern für mehr Akzeptanz und Vertrauen in die Industrie werben. Vor diesem Hintergrund ist der neue Masterplan Industrie die richtige Maßnahme. Er ist ein Bekenntnis von Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Gewerkschaften zur Industrie. Er macht deutlich, welche Bedeutung die Industrie für die Hansestadt hat.

Und aus einem zweiten Grund ist es wichtig und richtig, jetzt der Industrie den Rücken zu stärken: Dieser steht im Zusammenhang mit der Energiewende. Angesichts immer noch fehlender verlässlicher Rahmenbedingungen, wie dieses Megaprojekt bewältigt werden soll, sind viele Betriebe verunsichert. Gedankenspiele in Berlin, Unternehmen stärker als bisher finanziell an den Kosten der Energiewende zu beteiligen, befeuern die Unruhe. Einer in dieser Woche bekannt gewordenen Umfrage zufolge nennt jedes zweite Hamburger Industrieunternehmen die Entwicklung der Energie- und Rohstoffpreise als größtes wirtschaftliches Risiko in diesem Jahr.

Hinzu kommt, dass auch die Rahmenbedingungen der Umsetzung der Energiewende in Hamburg unklar sind. Zwar hatte der Senat notwendige Schritte dazu mit den Stromerzeugern in einem Energiekonzept ausgehandelt. Doch der Vertrag ist mit dem durch das Volk beschlossenen Rückkauf der Energienetze hinfällig. Deshalb ist positiv hervorzuheben, dass laut Masterplan dennoch viele der einst beschlossenen Maßnahmen zum ökologischen Umbau der Energieversorgung umgesetzt werden sollen.

Bedauerlich ist, dass der Masterplan dabei in vielen Feldern absolut unkonkret bleibt. Man kann ihn als eine Art Handlungsanweisung lesen, oder auch nur als bloße Absichtserklärung. Es bleibt den Beteiligten überlassen, wie sie mit dem Papier umgehen. Deshalb kommt Bürgermeister Olaf Scholz und Wirtschaftssenator Frank Horch die Aufgabe zu, bei der Umsetzung der Maßnahmen am Ball zu bleiben.

Aber wenn die Industrie mehr Vertrauen aus der Bevölkerung erwartet, muss sie ihrerseits dafür etwas tun. Sie muss feste Arbeitsplätze mit anständiger Entlohnung schaffen, anstatt über die Beschneidung von Werkverträgen zu lamentieren. Sie muss freiwillig die modernsten Filter in ihren Schornsteinen installieren, damit die Menschen die Produktion nicht länger mit Dreck und Schmutz verbinden. Und die Industrie muss bereit sein, die Energiewende mitzutragen. Sonst wird aus dem Masterplan ein Master-Lippenbekenntnis.