Hamburg besiegt die Gewalt. Jetzt geht es darum, mehr Menschen für Politik zu begeistern

Es ist ruhig in und um Hamburg, und das ist sehr gut so. Heute vor einem Monat berichteten selbst die „Tagesthemen“ und das „heute journal“ über Krawalle und Gefahrengebiete im Norden, zeigten Bilder, die der eine oder andere Journalist gar mit jenen aus der Ukraine verglich. Die Situation nach den Vorfällen um die Rote Flora und die Davidwache war explosiv und passte weder zu einer Hansestadt noch zu Bürgermeister Olaf Scholz mit seiner Strategie des ordentlichen Regierens.

Vorbei, zum Glück. Hamburg hat die Gewalt auf seinen Straßen deutlich schneller vertrieben, als sie gekommen ist. Auch wenn sich die Parteien in der Bürgerschaft am Ende seltsamerweise nicht auf eine gemeinsame Resolution gegen Gewalt einigen konnten, setzten die Bürger selbst ein eindeutiges Zeichen: Aus Steinen wurden Klobürsten, statt Flaschen flogen Kissen. Hunderttausende Menschen versammelten sich hinter der unter anderem vom Hamburger Abendblatt initiierten Aktion „Hamburger gegen Gewalt“, die dafür produzierten Aufkleber klebten und kleben an Zeitungsläden, Bussen, Taxis, liegen in Banken und Geschäften aus.

Geht doch, auch wenn es erstaunlich ist, wie schwer es einzelnen Gruppierungen in unserer Gesellschaft fällt, sich klar gegen Gewalt auszusprechen. Was wie eine Selbstverständlichkeit wirkt, ist leider nicht immer eine. Und wer glaubte, dass es in einer Stadt wie Hamburg eine durchgehende Übereinkunft über das Gewaltmonopol des Staates gibt, sah sich getäuscht. Mehr noch: In der hitzigen Diskussion tauchten sogar Stimmen auf, die das bloße Einhalten von Gesetzen als, Zitat, „gewalttätigen Druck“ empfanden. Manchmal ist man sprachlos.

Hamburg konzentriert sich jetzt wieder auf die herkömmliche Art, Konflikte zu lösen: mit Gesprächen, mit Verhandlungen und am Ende mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln des Rechtsstaates. Die Probleme, die es zu lösen gilt, sind dabei nicht geringer geworden als vor dem Gewaltausbruch, aber sie können jetzt vernünftig angegangen werden – allen voran die Frage, wie man die Rote Flora wieder in den Zustand vor den Dezember-Krawallen versetzt, an die sich alle Beteiligten gewöhnt hatten. Und die Diskussion um den Umgang mit Flüchtlingen geht genauso weiter wie jene um die Esso-Häuser, die Gefahrengebiete, die Stromnetze, die HSH Nordbank, die Schulzeit für Abiturienten, etc. Natürlich kann man sich als Hamburger punktuell oder zeitweise für das eine oder andere Thema engagieren, ob nun auf Demonstrationen, friedlichen Protestaktionen oder eben bei den immer beliebteren Volksentscheiden. Noch besser wäre es für unsere Stadt aber, wenn sich so viele Menschen wie möglich dazu durchringen könnten, den einzigen Weg ständiger Mitbestimmung zu gehen, den das Grundgesetz vorsieht. Soll heißen: wenn sie Mitglied in einer Partei werden.

Genau dafür will sich das Hamburger Abendblatt von heute an einsetzen. Wir glauben, dass sich die großen Fragen der Hansestadt leichter einvernehmlich lösen lassen, wenn die Basis der Parteien wieder größer wird. Deshalb starten wir heute die Aktion „Partei ergreifen“. Bis Jahresende wollen wir zeigen, wie man sich politisch engagieren kann, wie man überhaupt Mitglied einer Partei wird, was man dort bewirken und warum das Ganze am Ende sogar großen Spaß machen kann.

Wir glauben, dass der Zeitpunkt für so eine Initiative nicht nur wegen der jüngsten Auseinandersetzungen und der zunehmenden Zahl von Volksentscheiden gekommen ist, sondern auch, weil in diesem Jahr die Bezirkswahlen und die Europawahl stattfinden. Und weil beiden eine Wahlbeteiligung von weit unter 50 Prozent droht. Wir wissen nicht, ob wir das verhindern können – aber wir wollen zumindest alles versuchen.