Hamburger Wissenschaftler warnt: Al-Qaida ist heute noch gefährlicher als unter Osama Bin Laden. Hat sie bald radioaktive Bomben?

Für die amerikanische Regierung von Präsident Barack Obama war der 2.Mai 2011 ein Tag des Triumphes. Die US-Eliteeinheit Navy Seals drang in das festungsartige Anwesen des schattenhaften Al-Qaida-Chefs Osama Bin Laden in Abbottabad (Pakistan) ein und tötete ihn. Eine äußerst aufwendige, zehn Jahre währende Jagd nach dem Hintermann der Terroranschläge vom 11. September 2001 in New York und Washington mit fast 3000 toten Amerikanern war zu Ende.

Die US-Regierung wurde in der Folge nicht müde zu betonen, dass dies dem global agierenden Terrornetzwerk einen entscheidend schwächenden Schlag versetzt habe.

Doch die beruhigenden Verlautbarungen können derzeit für die USA selber gelten. Denn al-Qaida ist keineswegs besiegt – ganz im Gegenteil.

„Mit Osama Bin Laden war die Welt sogar besser dran“, sagt der Hamburger Wissenschaftler Dr. Hans Krech, Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Forums für Internationale Sicherheit e. V. an der Führungsakademie der Bundeswehr. Seit vielen Jahren analysiert Krech jede einzelne Operation von al-Qaida weltweit und konzentriert sich derzeit für eine einzigartige Studie auf den Zeitraum 2009 bis 2014.

Was er herausgefunden hat, ist geradezu sensationell. Der Saudi Osama Bin Laden hatte al-Qaida bewusst klein gehalten, weil er seine Organisation strikt nach der ultrakonservativen Strömung des Salafismus ausgerichtet hatte – eine Rückbesinnung auf die ideologisch „reine Zeit“ der Altvorderen im Islam. Unter Bin Ladens Nachfolger Ayman al-Sawahiri, einem ägyptischen Chirurgen, vermochte sich jedoch eine Reformbewegung durchzusetzen, bei der vor allem der ägyptische Militärchef von al-Qaida, Saif al-Adel („Schwert der Gerechtigkeit“), federführend war. „Nach diesem ‚ägyptischen Putsch‘ muss man nicht mehr Salafist sein, um Mitglied bei al-Qaida zu sein“, sagt Krech.

Diese Öffnung bedeutet, dass nun Islamisten aller Couleurs Zugang zu al-Qaida erhalten. Zudem hat Ayman al-Sawahiri verboten, Andersgläubige nur wegen ihres Glaubens zu töten. Dies gilt auch für Schiiten oder Christen. Jüngere Al-Qaida-Kommandeure haben zudem die Gleichberechtigung im Terrornetz durchgesetzt – Frauen dürfen nun Kämpferinnen und sogar Kommandeurinnen werden.

Al-Qaida hat sich zur ersten globalen, nicht staatlichen Terror-Organisation der Geschichte entwickelt – und ein fertiges Konzept zur Bekämpfung eines so beispiellosen Phänomens existiert noch gar nicht.

Krech hat in seiner Studie Diagramme entwickelt, die Struktur und Aufbau al-Qaidas zeigen. Sie ähneln verblüffend den Strukturen multinationaler Konzerne. Die Spitze bildet die strategische Führungsebene mit der Nummer eins Ayman al-Zawahri sowie den Rängen zwei und drei, Nasser al-Wuheishi und Saif al-Adel.

Direkt angegliedert ist die operative Führungsebene mit rund 40 Feldkommandeuren; ihnen unterstellt sind Frauen- und Kinderorganisationen sowie die Armee des Terrornetzes, ferner eine mobile Mediengruppe, eine Gruppe zur Führung des Cyber-Krieges („Al-Ansar“) sowie Forschungszellen, die sich mit der Entwicklung von Drohnenabwehrtechnik und „schmutzigen“ radioaktiven Bombenfallen (IEDs) beschäftigen. Weltweit bemüht sich das Netzwerk, radioaktive Abfälle etwa in Krankenhäusern und Forschungseinrichtungen zu beschaffen. Und al-Qaida versucht bereits seit 1993, in den Besitz von Massenvernichtungswaffen zu kommen. Ein Forschungsschwerpunkt liegt auf der Entwicklung von IEDs mit dem hochtoxischen Gift Ricin.

Unterhalb der Führungsebene existieren zwei direkt geführte Regionalorganisationen – „al-Qaida im Irak“ sowie „al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel“. Darüber hinaus gibt es zwölf selbstständige Regionalkommandanturen, zu denen auch „al-Qaida in Europa“ zählt. Die Terror-Ausbildung bei al-Qaida – offen auch für Nicht-Mitglieder– gilt als die „beste“ der Welt. Allein in Pakistan hat das Netz 150 Ausbildungslager. Es gibt acht Ausbildungsmodule; die Ausbildung etwa eines Gruppenführers dauert ein Jahr.

Al-Qaida hat nach Ansicht von Krech den Zenit seines Wachstums noch gar nicht erreicht und dürfte nun gefährlicher denn je sein. Wer mehr darüber wissen möchte, kann die private Website des Hamburger Forschers anklicken: www.Hans-Krech.de