Nobelpreisträger Barack Obama wurde zum Heerführer. Andere Machthaber der Geschichte gingen den umgekehrten Weg

Während Deutschland noch darüber spekuliert, ob US-Präsident Barack Obama wirklich die Wahrheit gesagt hat, als er Bundeskanzlerin Angela Merkel versicherte, er habe von der Ausspähung ihres Handys nichts gewusst, schlägt eine andere mutmaßliche Äußerung in den USA hohe Wellen.

In der am Dienstag erschienenen Obama-Biografie „Double Down: Game Change 2012“ der Autoren Mark Halperin und John Heilemann wird der Präsident mit den Worten zitiert: „Ich bin echt gut darin, Menschen zu töten“. Die bemerkenswerte Äußerung soll nach einem Bericht der „Washington Post“ bei einer Besprechung des todbringenden Drohnenprogramms des US-Geheimdienstes CIA gefallen sein.

Die CIA soll in den vergangenen neun Jahren bis zu 3600 Menschen gezielt mit den Killer-Drohnen „Predator“ (Raubtier) und „Reaper“ (Sensenmann) liquidiert haben. Doch nicht nur mutmaßliche Terroristen fielen den „Hellfire“-Raketen zum Opfer, sondern auch fast 1000 Zivilisten. Und wie die „Daily Mail“ berichtete, soll Obama ganz persönlich 326 tödliche Drohnenangriffe befohlen haben. Der Präsident hat die Kriege Amerikas offiziell beendet und die meisten Kampftruppen heimgeholt; zugleich jedoch hat er das Programm zur Ausschaltung der Feinde der USA durch Spezialeinheiten und Kampfdrohnen noch viel stärker ausgeweitet als Vorgänger George W. Bush. Es dürfte in der Geschichte einmalig sein, dass ein Staatsführer zunächst einen Friedensnobelpreis – auf Vorschuss – erhält und sich dann stolz über die Tötung seiner Feinde äußert. Vorausgesetzt, dieses herbe Zitat stimmt.

Es gibt in der Geschichte der Menschheit allerdings auch Beispiele dafür, dass sich ein Staatsführer umgekehrt vom Krieger zum Friedensfürsten wandeln kann. Zu den bemerkenswertesten Gestalten zählt der indische Kaiser Ashoka der Große, der von 304 bis 232 vor Christus lebte. Von seinem Großvater Chandragupta Maurya hatte er das größte Reich der indischen Antike geerbt. Ehrgeizig fiel Ashoka mit seiner gewaltigen Armee über seine Nachbarn her, um sein Reich noch zu erweitern. Als Letztes fiel er in den Feudalstaat Kalinga ein, an dessen Eroberung sein Großvater gescheitert war. Am Fluss Darya kam es zur Entscheidungsschlacht, die Ashoka gewann.

Doch mit Entsetzen schaute der Kaiser auf das Grauen, dass er angerichtet hatte: Auf dem Schlachtfeld lagen nach Schätzung von Zeitgenossen mehr als 150.000 tote Soldaten und Zivilisten. Der Fluss hatte sich tiefrot gefärbt. Der Überlieferung nach soll sich eine Frau dem Kaiser genähert und gesagt haben: „Du hast mir meinen Vater, meinen Mann und meinen Sohn genommen. Für wen soll ich jetzt weiterleben?“ Auf dem Höhepunkt seiner Macht, aber zutiefst erschüttert, schwor Ashoka der Gewalt ab, trat zum Buddhismus über und kümmerte sich fortan um soziale Wohlfahrt, um Steuergerechtigkeit und die Förderung des Friedens. Überall in seinem Riesenreich ließ er hohe Säulen mit seinen Friedenserlassen aufstellen, von denen etwa zehn bis heute erhalten sind. Der britische Schriftsteller H. G. Wells („Krieg der Welten“, „Die Zeitmaschine“) schrieb 1920 in seinem Geschichtsabriss „The Outline of History“: „Unter den Zehntausenden Namen von Monarchen, die die Geschichte bevölkern ... leuchtet und leuchtet der Name Ashoka, fast allein, ein Stern“. Dank Ashoka wurde der Buddhismus zur Weltreligion; das Symbol des Kaisers, der Löwe, findet sich im Emblem des modernen Staates Indien wieder.

In der deutschen Geschichte haben wir ja das Beispiel eines Herrschers, der auch aus persönlichem Ehrgeiz und aus Ruhmsucht blutige Angriffskriege führte und später die Uniform angewidert als „Sterbekittel“ abtat: Friedrich der Große (1712–1786). Auch der „Alte Fritz“ war – gemessen an seiner Zeit – bemerkenswert tolerant und aufgeklärt. Friedrich hielt schließlich weitgehend Frieden, allerdings war seine innere Entwicklung eine ganz andere als die Ashokas: In jungen Jahren weltoffen, wurde Friedrich im Alter zum zynischen Menschenfeind.

Eine Träne zu trocknen ist ehrenvoller als Ströme von Blut zu vergießen, hat der britische Dichter Lord George Byron den Krieg führenden Herrschern der Welt zugerufen. Das war schon gültig zu Ashokas Zeiten – und es ist es auch in Obamas Regierungszeit.