NSA-Abhöraffäre: Merkel schweigt, Hollande attackiert

Als der damalige US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld im Januar 2001 die neue Sicherheitsdoktrin der USA vorstellte, erklärte er dazu, die USA müssten „Gegner abschrecken, die sich noch gar nicht zu Herausforderungen entwickelt haben“. Was Washington schon damals anvisierte, war im Grunde eine Neutralisierung sämtlicher Quellen ausländischer Machtentfaltung. An dem Grundprinzip eines globalen Machtanspruchs hat sich auch unter Barack Obama wenig geändert. Die Instrumentarien schon: Die massive, weltweite Spionageoffensive des Geheimdienstes NSA ist Kernstück einer Strategie der „Information Dominance“. Wer glaubt, dies diene lediglich der Terrorabwehr und damit uns allen, der irrt. Es geht Washington darum, jene Ströme zu kontrollieren, in denen wichtige politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Informationen fließen. Das sind auch strategische Überlegungen der Bundesregierung oder Kostenkalkulationen von Airbus.

Die Reaktionen des französischen Staatspräsidenten François Hollande und von Bundeskanzlerin Angela Merkel markieren zwei sehr unterschiedliche Positionen dazu. Merkel will die guten Beziehungen zu den USA nicht beschädigen und verzichtet auf öffentliche Entrüstung. Darüber, ob und inwieweit sie dies inoffiziell tut, kann allenfalls spekuliert werden. Es entsteht jedenfalls der Eindruck, dass Merkel sich von den USA ein massives Eindringen in deutsche Belange gefallen lässt. Hollande hingegen bestellt den US-Botschafter ein und fordert ein sofortiges Abstellen der Spionage. Nun ist bekannt, dass Hollande tief im Keller der Popularität sitzt und nach jeder Chance der Profilierung greift. Immerhin – der Präsident attackiert und zwingt Obama zu einer Reaktion.

Die Deutschen hingegen sind in eine Art Duldungsstarre verfallen. Berlin muss nicht gerade diplomatisches Porzellan zerschlagen; es sollte aber schon um einiges deutlicher machen, dass es nicht der Freundschaft dient, von den engsten Verbündeten offiziell als Spionageziele definiert und hemmungslos ausgebeutet zu werden. Zudem muss Deutschland technologisch einiges tun, um sich gegen Angriffe besser wappnen zu können.