Das WM-Fanfest zu verbieten wäre korrekt, aber provinziell

Tja, so ist das mit dem Rechtsstaat. Eigentlich ist er eine der größten Errungenschaften der Menschheitsgeschichte. Aber manchmal kann er einem auch die Laune verhageln. Wenn wir uns alle rund um die Uhr an jede von EU, Stadt oder Kommune erlassene Vorschrift halten, dann sind wir zwar gut und gerecht im Sinne des Gesetzes. Aber die eine oder andere Party (und manche freundliche Geste) fällt dabei ins Wasser. Der starre Staat kennt keine Kompromisse. Nicht mit Flüchtlingen und nicht mit Lärmschutzwerten. Die Beamten schlagen nach, was erlaubt und was verboten ist, kennen Grenzwerte und Verfahrenswege und halten sich an die Buchstaben sämtlicher Verordnungen.

So hat es jetzt auch Andy Grote, Bezirksamtsleiter in Hamburg-Mitte, getan – und das Fanfest auf dem Heiligengeistfeld zur WM 2014 erst einmal abgeblasen. Eine völlig korrekte Entscheidung. Denn das Bundesimmissionsschutzgesetz legt klar fest, wer wie viel Lärm zu ertragen hat und wann die Grenzen der zumutbaren Belastung überschritten sind. Freudenschreie von Fußballfans können extrem laut sein. Da die Spiele in Brasilien nach deutscher Zeit spät angepfiffen werden, müssten die Anwohner Jubel, Trubel und Triumphgeheul bis weit nach Mitternacht erdulden. Das ist für jemanden, der am nächsten Morgen zur Frühschicht muss, schwer zumutbar.

Andererseits: Die Fanfeste waren stets friedliche und fröhliche Ereignisse. Es wäre ein herber Verlust für die Stadt, wenn sie verboten würden. Und: Ist es nicht vielleicht doch zumutbar, dass jemand, der bewusst in Kieznähe zieht, alle paar Jahre auch kurz nach Mitternacht wilden Torjubel erdulden muss? Ich meine: ja. Möglich machen könnte dies etwa eine Sondergenehmigung des Bundes für das Fest.

Bleibt die Frage: Darf der Rechtsstaat für Fußballfans Ausnahmen zulassen? Natürlich darf er das. Der beste Staat ist kein in seinen Vorschriften erstarrtes Gebilde, in dem Philister sich austoben können – sondern eine von Menschen für Menschen gemachte Organisationsform. Da darf es auch mal Ausnahmen geben. Nicht nur bei Fan-Festen.