Angela Merkels Erfolge können einem unheimlich werden, das Debakel der FDP ist politischer Wahnsinn.

Die CDU/CSU ist nicht der große Sieger des gestrigen Abends. Gewonnen hat die Bundestagswahl vor allem Angela Merkel – eine Frau, die einem allmählich unheimlich werden kann. Während es für ihre Vorgänger Gerhard Schröder (SPD) und Helmut Kohl (CDU) nach dem Einzug ins Kanzleramt bei den nächsten Wahlen immer bergab ging, erreicht Merkel bei ihrem dritten Versuch ihren höchsten Wert – und das beste Ergebnis der CDU seit fast 20 Jahren. Als hätte es die Niederlagen und Rückschläge ihrer Partei in den Bundesländern nicht gegeben, als sei das Regieren angesichts der Euro- und Schuldenkrise in den vergangenen vier Jahren einfach gewesen, steht die Kanzlerin so glänzend da wie noch nie in ihrer Karriere.

Es ist der (vorläufige?) Höhepunkt eines Weges, den ihr so wirklich niemand zugetraut hat, und vielleicht ist genau das bis heute einer der wichtigsten Gründe für ihren Erfolg. Angela Merkel wird nach wie vor unterschätzt, ihr oft zögerliches Verhalten wird als mangelnde Entschlusskraft fehlinterpretiert. Fakt ist, spätestens seit der ersten Hochrechnung am Sonntag: Ihre Unangreifbarkeit ist keine Schwäche, sondern eine Stärke. Und: Angela Merkel hat in den vergangenen acht Jahren ihrer Kanzlerschaft vieles richtig gemacht, auch wenn sie vor Beginn der jeweiligen Legislaturperiode gar nicht so recht wusste, was sie machen würde. Am Ende hat sie, um einen aus und in Hamburg sehr geläufigen Begriff zu nehmen, „ordentlich regiert“. Das klingt langweilig, nach einer Mindestanforderung an Regierungschefs, ist aber in Zeiten wie diesen eine Leistung, mit der frau eine Bundestagswahl eindrucksvoll für sich entscheiden kann.

Wie gefährlich es ist, sich mit der jetzt wohl wieder mächtigsten Frau der Welt anzulegen, haben in der Vergangenheit viele Gegner und einige Weggefährten erfahren müssen – so schmerzhaft wie die FDP hat es aber noch keinen getroffen. Was hatten die Liberalen in den vier Jahren der schwarz-gelben Koalition für eine Freude daran, die Kanzlerin zu piesacken (Wahl des Bundespräsidenten!), und wie bitter mussten sie jetzt dafür bezahlen. Als es darauf ankam, als die Partei nicht mehr nur um ihre Regierungsbeteiligung, sondern gar um ihre Existenz im Bundestag fürchten musste, war „Mutti“, wie Angela Merkel in Berlin scherzhaft genannt wird, auf einmal nicht mehr da für den kleinen Partner. Keine Zweitstimmen-Kampagne, kein gutes Wort für die FDP: Merkel empfahl ihrer Partei und den Wählern, für die Union zu kämpfen und nur für die Union.

Und die FDP fiel nur vier Jahre nach ihrem besten Bundestagswahlergebnis auf das schlechteste Resultat aller Zeiten. Ein Desaster mit Ansage, die Bankrotterklärung ausgerechnet jener Partei, die so oft und so lange wie keine andere in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland an Regierungen beteiligt war. Am Ende wusste schlicht kaum noch jemand, wofür die FDP steht und warum man sie überhaupt wählen soll. Und jetzt ist sie im Bundestag nicht mehr dabei, zum ersten Mal seit 1949. Was das für die Partei bedeutet, was von der FDP nach diesem Debakel übrig bleibt, ist nicht abzusehen.

Eben noch in der Regierung, künftig in der außerparlamentarischen Opposition – das ist, man muss es so klar sagen, politischer Wahnsinn. Und es dürfte der Anfang vom Ende einiger politischer Karrieren sein, die zum Teil gerade erst begonnen haben. Fast könnten einem die Liberalen leidtun – und tatsächlich hatten am Sonntagabend alle anderen Parteien, mit Ausnahme der CDU, besondere Gefühle für die FDP. Die Mitglieder und Anhänger von SPD, Grünen und Linken einte die Schadenfreude über die liberale Katastrophe: Wenigstens bei der Bekanntgabe des FDP-Ergebnisses hatten sie Grund zum Jubeln. Der Rest war Schweigen. Spitzenkandidat Peer Steinbrück bescherte der SPD das zweitschlechteste Ergebnis ihrer Geschichte, die Grünen kehrten dank Veggie Day, Steuer- und Pädophiliedebatte wieder in den einstelligen Bereich zurück, genau wie die Linken.

Bleibt die Frage, ob die gemeinsame Erfahrung der Niederlage das sogenannte linke Lager zukünftig vielleicht doch enger zusammenrücken lässt. Die Übermacht der CDU könnte vor allem die SPD zu Ideen verführen, gegen die sie sich bisher immer strikt gewehrt hat. Wie und ob überhaupt eine Annäherung an die Linken gelingt, wird davon abhängen, wer künftig die starken Männer und Frauen bei den Genossen sein werden. Sigmar Gabriel wird und kann wahrscheinlich Parteivorsitzender bleiben, weil die SPD immerhin leicht hinzugewonnen hat. Im Hinblick auf die Bundestagswahl 2017, dann vielleicht ohne die übermächtige Merkel, werden jedoch andere wichtig: Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft zum Beispiel, aber auch Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz. Der kann bekanntlich sehr gut „ordentlich regieren“. Und darauf wird es auch nach vier Jahren Großer Koalition im Bund wieder ankommen.