Eine alliierte Militärintervention in Syrien rückt offenbar näher. Es ist ein riskanter Plan

Im 12. Jahrhundert war die Kreuzfahrerfestung Tartosa an der Küste des heutigen Syrien ein strategisch bedeutsames Element im Kampf zwischen Orient und Okzident. Fast ein Jahrtausend später spielt die Hafenstadt wieder eine strategische Rolle: Im heutigen Tartus hat Russland seine einzige Marinebasis in der Mittelmeerregion. Dies ist ein Hauptgrund dafür, dass der moderne Zar Wladimir Putin den Damaszener-Diktator Baschar al-Assad hartleibig unterstützt.

Und es ist nicht zuletzt die russische Haltung, die eine sich abzeichnende westliche Militärintervention in Syrien so unkalkulierbar macht. Der Kreml will in das politische Machtvakuum stoßen, das die USA vor allem aufgrund der ungeschickten Politik von George W. Bush im Nahen Osten hinterlassen haben. Putin wartet nur darauf, sich im Falle einer amerikanisch geführten Intervention als Vertreter arabischer Interessen zu etablieren. Die Lage in Syrien ist ein klassisches Dilemma. Zwar ist klar, dass die Staatengemeinschaft nicht tatenlos mitansehen kann, wenn Massenvernichtungswaffen gegen Zivilisten eingesetzt werden. Allerdings muss zunächst definitiv geklärt sein, von wem diese Waffen eingesetzt wurden. Wie schwierig und dazu lebensgefährlich diese Aufgabe für die Uno-Inspekteure ist, hat sich jüngst gezeigt. Eine mögliche Intervention soll das Ziel haben, die syrische Zivilbevölkerung vor Massenmorden zu schützen und die Kriegsmaschinerie des Assad-Regimes zu schwächen. Das klingt vielversprechend, hat aber erhebliche Risiken und Nebenwirkungen. Eine Schwächung Assads bedeutet zugleich eine Stärkung von al-Qaida. Tausende radikalislamistische Kämpfer warten auf die Chance, das alawitische Regime in Damaskus zu stürzen und dort einen Gottesstaat auszurufen. Ein Bombardement mit Marschflugkörpern auf Schlüsselpositionen der syrischen Armee könnte aber langfristig genau diese Folge haben.

US-Präsident Barack Obama hat sich mit seiner „roten Linie“ bezüglich des Einsatzes chemischer Waffen selbst unter Zugzwang gesetzt. Doch eine Bodenintervention, die ihm noch eine gewisse Kontrolle der weiteren Ereignisse geben könnte, ist aus gutem Grund derzeit unwahrscheinlich. Obama hat seine Truppen nicht aus den irakischen und afghanischen Sümpfen gezogen, um sie in einem syrischen Sumpf zu versenken. Und ein islamistisches, gar mit al-Qaida kooperierendes Regime in Damaskus wäre ein Albtraum für Jerusalem; mit dem immerhin berechenbaren Feind Assad ist Israel da weit besser bedient. Die Rolle Irans in dieser Krise ist wie immer destruktiv und diffus. Zwar können sich die Iraner kaum in einem offenen militärischen Schlagabtausch mit den USA messen; aber sie könnten die ihnen ergebenen Terrorgruppen Hamas und Hisbollah auf Israel loslassen, um für Assad in Palästina und in Nordisrael eine Entlastungsfront zu schaffen. Damit würde der Krieg endgültig auch den Libanon erfassen. Israels Premier Netanjahu wiederum könnte den Windschatten eines solchen Konfliktes nutzen, um Irans Atomanlagen anzugreifen.

Es ist angesichts des syrischen Grauens nur zu verständlich, wenn jetzt viele nach einer Militärintervention rufen. Doch es ist keinesfalls sicher, dass damit am Ende viele Menschenleben gerettet werden, falls sich der Konflikt ausweitet. Man sollte sehr sorgfältig die möglichen verheerenden Folgen einer solchen Unternehmung abwägen. Und Deutschland? Eine amerikanisch-britisch-französisch-türkische Militäraktion ohne Plazet des Uno-Sicherheitsrates brächte die Regierung Merkel in die unangenehme Lage, sich aus Bündnissolidarität an einer völkerrechtlich unklaren und politisch riskanten Aktion beteiligen zu müssen. Der US-Sender CNN nannte diesen Konflikt ohne Lösung ein „Problem aus der Hölle“.