Noch langweiliger als der Wahlkampf 2013 ist nur eins: seine Plakatwerbung. Hier blamiert sich jeder, so gut er kann

Neulich, beim Bummel durch die Hamburger Innenstadt, begann ich mir Sorgen um die Zukunft der deutschen Druckindustrie zu machen. Denn irgendeines fernen Tages wird Johannes Kahrs, seines Zeichens auf ewig gewählter SPD-Direktkandidat des Bezirks Mitte, dann doch aus dem Bundestag ausscheiden. In diesem Moment wird einer der vermutlich größten Umsatztreiber der Branche – das Drucken von Johannes-Kahrs-Plakaten – plötzlich wegfallen. Noch steht er zigtausendfach in der Innenstadt herum. Und das schon vor der offiziellen Wahlkampfphase – Johannes Kahrs plakatiert nur seinen Auftritt beim Uhlenfest, wo er zur Stimmungssteigerung auf der Uhlenhorst über NSA, „Euro Hawk" und Kitas plaudern möchte.

Leider ist das, was sich die Werbestrategen in den Parteizentralen für den aktuellen Wahlkampf bislang ausgedacht haben, noch langweiliger als der Wahlkampf an sich. Intellektuelle Leere und Ödnis allerorten. Neben dem omnipräsenten SPD-Politiker fallen die anderen Volksvertreter in Mitte kaum auf mit Ausnahme vielleicht von BMS alias Burkhardt Müller-Sönksen, der jeden Spitzenpolitiker seiner liberalen Partei mit seinem eigenen BMS-Konterfei bewirbt. Da denkt man im ersten Moment, dass sich Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (deren Name tatsächlich auf ein DIN-A2-Plakat passt) oder Guido Westerwelle arg verändert haben, bevor das Kleingedruckte ins Auge springt: „Burkhardt Müller-Sönksen trifft“.

Intellektuell eher tiefergelegt wirken die Plakate der Grünen in Altona. Sie verkünden ganz schlichte Botschaften wie: „Katrin Göring-Eckardt kommt“ und fragen dann: „Und Du?“ Seit wann duzen wir uns eigentlich? Vermutlich verbitten sich viele Hamburger derlei Vertraulichkeiten, ohne allerdings bei der Konkurrenz wesentlich besser informiert zu werden. Der CDU-Kandidat Marcus Weinberg etwa präsentiert sich auf einem verwackelten wie unscharfen Foto, das offenbar Kunst sein soll. Weder versteht der Betrachter, was auf dem Bild zu sehen ist, noch, was Weinberg uns sagen möchte. Aber Verständnis scheint ohnehin keine Kategorie der Plakatkünstler zu sein. Der SPD-Spitzenkandidat Matthias Bartke in Altona lädt zu einem Frühschoppen, an dem der Stargast vom SoVD kommt. Da wüssten viele sicher gern, wer denn dieser SoVD ist.

Auch die Freien Wähler lassen uns ratlos zurück. Ihr Plakat ist im Stile einer Boulevardzeitung namens „Bald“ entworfen und kommt mit der Zeile „Grundversorgung gesichert. W-Lan gratis für alle“ daher. Fordern die Freien Wähler das wirklich oder karikieren sie nur die Piraten? Das schaffen die Piraten doch besser selbst: Sie plakatieren ihre Podiumsdiskussion: „Warum reden wir hier eigentlich? Ihr hört uns doch eh nicht zu“. Glauben sie das im Ernst in Zeiten der Spähaffäre?

Wenn man nach Berlin schaut, wird es nicht unbedingt besser. Die SPD plakatiert sogar Angela Merkel, während die CDU idyllische Fotolandschaften wie aus der Kaffeewerbung mit Frau Sommer aus den 70er-Jahren auferstehen lässt. Beim Fotografen geht die Union übrigens auf Nummer sicher – sie hat denselben Bildkünstler verpflichtet, der Olaf Scholz im erfolgreichen Bürgerschaftswahlkampf 2011 perfekt ins Licht gesetzt hat.

Die Grünen setzen allüberall auf ihr „und du?“. Da sieht man kein Parteilogo mehr, sondern nur Jürgen Trittin, den Slogan „Wir bringen neue Energie“ und als weiteren Hinweis trittin.de – hat die Partei sich heimlich umbenannt? Nein, hat sie nicht, denn es gibt auch goering-eckardt.de mit dem tollen Slogan „Für Mut gegen Armut“. Dass es politischen Mut erfordert, gegen Armut zu sein, ist wirklich neu. Geradezu drollig ist Sahra Wagenknecht von der Linken mit dem Ludwig-Erhard-Spruch „Wohlstand für alle“. Eiskalt abgekupfert, so wie sich die FDP ungeniert bei den Linken aus dem NRW-Wahlkampf 2012 bedient hat. Sie eint der Slogan „Nur mit uns“.

Überhaupt die FDP. Wer diese Bilder der Spitzenpolitiker sieht, kann sich des Eindrucks nicht erwehren, der politische Gegner zeichne verantwortlich für Fotografie und Plakatgestaltung. Die Linkspartei wandelt derweil auf den Spuren der alten Spaßpartei FDP und plakatiert: „Teilen macht Spaß: Millionär-Steuer!“ Da lacht die Elbchaussee. So wirken auch Zwangsabgaben gleich viel netter. Und wenn alle glücklich sind, addiert die Linke das zu www.100-Prozent-sozial.de.

Matthias Iken beleuchtet in der Kolumne „Hamburger KRITiken“ jeden Montag Hamburg und die Welt