Der Konflikt um die Rote Flora nutzt niemandem, am wenigsten der Stadt

Ist die Zukunft der Roten Flora Vergangenheit? Kommt es zu Verkauf, zu Abriss, zu Straßenschlachten? Mal wieder ist das Thema ein aktuelles, mal wieder wird im Verborgenen gemauschelt, gemutmaßt, gedroht. Die Rituale gleichen sich seit Jahren, die Sprüche auch. Und so lässt sich gleich zu Beginn der Betrachtung feststellen: Das Thema kennt wieder einmal nur Verlierer.

Beginnen wir mit dem selbst ernannten Kulturinvestor und Flora-Eigentümer Klausmartin Kretschmer. Als er die symbolträchtige Ruine im Schanzenviertel 2001 für noch nicht einmal umgerechnet 200.000 Euro kaufte, gab er sich gönnerhaft. Er sehe den Deal nicht als „gewinnbringendes Geschäft an, sondern als eine Art Spende und großes Abenteuer“, sagte er damals.

Doch inzwischen scheint das Glück den Mann verlassen zu haben, der mit aufsehenerregenden Immobiliengeschäften und kreativen Höhenflügen gern die Öffentlichkeit suchte. Stattdessen ging es zuletzt eher um Schulden und Zwangsversteigerungen. Es ging um den bislang gescheiterten Versuch, die Rote Flora mit großem Gewinn an die Stadt zurückzuverkaufen, indem Kretschmer die politisch nicht gewollte Räumung des immer noch besetzten Hauses ins Gespräch brachte. Offensichtlich pokerte er bei seinem bislang vorletzten Versuch beim Kaufpreis zu hoch.

Hat Kretschmer jetzt einen neuen Käufer gefunden, der zunächst als Mieter ins Projekt einsteigt? Hat er gemeinsam mit diesem ominösen Partner vor, erneut die Politik unter Druck zu setzen, um eben doch noch einmal Kasse zu machen? Es scheint zumindest so.

Machen wir weiter mit den „Floristen“ genannten Gralshütern. Von kultureller Nutzung oder Stadtteilveranstaltungen im Gebäude hören selbst wohlmeinende Menschen selten. Stattdessen ist die Flora das, was sie schon immer war – ein Mythos der Autonomenbewegung, eine heruntergekommene Fluchtburg für Menschen, die längst vergangene Träume leben. Die Flora ist ein Symbol für all die, die in extremer Selbstüberschätzung meinen, einer vermeintlich bösen Staatsmacht widerstehen zu müssen. Ihr Motto lautet: Wem die Flora auch gehört, ist egal, die Stadt ist der Gegner. Und die hat im Wissen, dass wochenlange Krawalle und damit Bilder drohen, die keiner will, kaum Handlungsspielraum. Das wissen Nutzer wie Eigentümer gleichermaßen.

Wären wir bei Verlierer Nummer drei – der Politik. Kretschmer sei ein Idealist, dem jedes Spekulationsinteresse fernliege, lobte einst SPD-Bürgermeister Ortwin Runde den vermeintlichen Wohltäter, als er ihm die Flora verkaufte, um das Thema aus dem Wahlkampf 2001 rauszuhalten. Und Runde schien sich – wie heute politisch Handelnde – sicher, die Nutzung als Stadtteilkulturzentrum vertraglich geregelt und Spekulationen unterbunden zu haben. Aber ist das tatsächlich so? Ist das Gebäude in bester städtischer Lage vor Abriss und anschließendem Neubau sicher bei einem noch längst nicht rechtsgültigen Bebauungsplan? Bei einer wenig Schutz bietenden Erhaltungsverordnung und einem möglicherweise neuen Eigentümer, der entschlossen voranschreitet? Die Preise, die inzwischen im hippen Schanzenviertel aufgerufen werden, lassen die Begehrlichkeit von Investoren massiv steigen. Und so bleibt die Rolle von Politik und Verwaltung, den seit Jahrzehnten andauernden Konflikt zu entschärfen, eine sehr defensive. Bemüht – ja! Aber dauerhaft erfolgreich?

Das Beispiel Hafenstraße, die erst befriedet wurde, nachdem die Stadt die umkämpften Häuser einer privaten Initiative überlassen hatte, taugt nicht als Vorbild für die alte Flora. Ein derart politisch überladenes Gebäude gehört nicht in die Hand eines Privatmannes. Egal ob der Kretschmer heißt oder anders.