Die Gartenschau hätte mehr Besucher verdient. Doch viele in Hamburg interessiert Wilhelmsburg nicht

Manchmal gleicht die Politik einem Kasperletheater. In der Spähaffäre etwa waren sich CDU und SPD über Jahre einig, dass Datenklau nicht so schlimm ist. Bis die Sache bekannt wurde. Nun sind alle schwer empört und machen sich gegenseitig für den Skandal verantwortlich. Hauptsache, aufeinander eindreschen und zur Unterhaltung des Publikums den einen oder anderen Treffer landen. Ein ähnliches Kasperletheater führt die Hamburger Politik nun zur Preisgestaltung der Internationalen Gartenschau (igs) in Wilhelmsburg auf. Dabei überbieten sich Grüne, CDU und Linke von den Rücksitzen des Parlaments im Senken der Eintrittspreise. 21 Euro Eintritt, so heißt es unisono, seien viel zu viel. Im Internet toben sich schon Übelgelaunte aus, die die ganze igs als „Reichenveranstaltung“ titulieren und mit Verve meckern, natürlich ohne jemals da gewesen zu sein.

Ja, 21 Euro sind auf den ersten Blick happig, und es stellt sich die Frage, ob der psychologische Preis unterhalb der Schwelle von 20 Euro nicht die klügere Wahl gewesen wäre. Aber die weit verbreitete Empörung mag nicht recht verfangen: Beim HSV etwa kosten die günstigsten Sitzplätze mindestens 20 Euro, und dafür gibt es oft nur Rumpelfußball, auch bei Hagenbeck sind es 20 Euro. Kinder zahlen beim HSV mindestens acht Euro, bei Hagenbeck ab vier Jahren sogar 15 Euro. Die Gartenschau lässt Kinder bis sieben Jahre kostenlos hinein, Jugendliche sind mit nur sechs Euro dabei. Sicherlich wäre eine Familienkarte ein gutes Signal zur igs gewesen. Aber das gilt immer und überall. Warum wird sie nur für die Gartenschau gefordert?

Die Debatte ist verquer und wirkt wie eine Mischung aus Aktionismus, Wichtigtuerei und Dilettantismus. Sie kommt zu spät – längst ist klar, dass die erhofften 2,5 Millionen Besucher ein frommer Wunsch bleiben. Am Ende wird man zufrieden sein, wenn 1,4 Millionen zur Gartenschau kommen und das Defizit nicht höher als zehn Millionen Euro ausfällt. Jede Debatte um zu hohe Preise lenkt von den Stärken der Gartenschau ab und verschreckt potenzielle Besucher. Zudem dürfte ein Panikdiscount das Defizit am Ende vergrößern. Wenn man die Preise um knapp 30 Prozent senkt, benötigt man mindestens 40 Prozent mehr Besucher, um am Ende besser dazustehen. Aber wer geht zu einer Schau, die wie eine Resterampe beworben wird?

Schon jetzt ist es angesichts der Fülle von Vergünstigungen fast unmöglich, ohne Rabatt in die Rabatten zu kommen. Am Kassenhäuschen reicht eine x-beliebige Karte im Portemonnaie zum Sparen. Ob Budni-Karte, ADAC-Mitglied oder Bücherhallenausweis – zehn Prozent Nachlass gibt es immer. Die Idee der Senatorin Blankau, die Fahrkarte für die Monorail-Bahn zum Tagesticket auszuweiten, ist auch eher ein Scherz fürs Kasperletheater. Schon jetzt kann man die Fahrt zweimal unterbrechen – eine sinnvolle Regelung. Wenn die Tickets fortan den ganzen Tag gültig sind, drohen Wartezeiten am Zug einen neuen Meckeralarm auszulösen.

Die wirkliche Ursache, warum sich die Menschen nicht für die Gartenschau erwärmen, gründet tiefer. Es liegt weder an mangelndem Marketing noch an den Preisen noch an der verspäteten Verlegung der Reichsstraße. Es liegt an Wilhelmsburg. Viele Hamburger interessieren sich offenbar nicht für den marginalisierten Stadtteil im Süden, sie wollen ihre Vorurteile nicht in einem Blumenmeer versenken. Nur gut 40 Prozent der igs-Besucher kommen aus Hamburg und damit deutlich weniger als ursprünglich kalkuliert.

Zudem macht sich die Stadt selbst Konkurrenz: Die City weitet sich allwöchentlich zur eintrittsfreien Partyzone aus, Wilhelmsburg rückt da noch weiter in den Hintergrund. Der Sprung über die Elbe, dieses große wie großartige Ziel, scheint an der Unsportlichkeit der Hamburger zu scheitern. Da darf es auch kein Trost sein, dass sie stattdessen gern Planten un Blomen oder die Elbparks besuchen. Diese Grünanlagen machen die Stadt lebenswert – es hätte sie aber ohne historische Gartenschauen nie gegeben. Und deshalb sind auch die Millionen für die igs in Wilhelmsburg eben nicht in den Sand gesetzt, sondern kluge Stadtteilentwicklung.

Um in den verbleibenden Monaten ein versöhnliches Ende für die Gartenschau zu finden, wäre ein Werben aller Hamburger der beste Weg. Die meisten Besucher sind, das zeigen Befragungen, sehr zufrieden; die Schau bietet Sportflächen, Spielplätze, Blumenmeere, Wasserspiele und Kultur zu einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis. Hingehen, ansehen, weitersagen wäre hilfreicher als der kleinkarierte Streit um die Fehler der Vergangenheit. Auch Kasperletheater schließen mit Happy End.

Matthias Iken beleuchtet in der Kolumne „Hamburger KRITiken“ jeden Montag Hamburg und die Welt