Vor dem Netze-Entscheid ist Ehrlichkeit gefragt

Volksentscheide sind eine gute Sache. Problematisch allerdings wird es, wenn die Menschen über ein Thema abstimmen sollen, dass kaum jemand wirklich durchdringt. Da droht die Gefahr, dass Emotionen die Abstimmung entscheiden. Das könnte auch beim Hamburger Volksentscheid über den vollständigen Rückkauf der Energienetze am 22. September geschehen. Statt um Fakten könnte es um Stimmungsmache gegen die angeblich so bösen Energieriesen gehen, oder darum, dem Senat einfach mal eins auszuwischen.

Seit Freitag ist der Frontverlauf im Kampf um die Energienetze klar: Im Bündnis „NEIN zum Netzkauf“ haben sich Wirtschaftsverbände, Steuerzahlerbund und Industriegewerkschaft zusammengetan. Eine beeindruckende Koalition, denn Arbeitnehmer und Arbeitgeber kämpfen ja nicht täglich Seit’ an Seit’. Gemeinsam mit SPD-Senat, CDU und FDP wird das Bündnis für ein Nein der Hamburger beim Volksentscheid werben. Auf der anderen Seite stehen Grüne, Linke und die Initiative „Unser Hamburg – unser Netz“, die von Umweltverbänden, Verbraucherzentrale, GEW und einem Teil der evangelischen Kirche getragen wird. So weit, so klar.

Woran es allerdings bisher mangelt, sind Klarheit und Ehrlichkeit in der Debatte. So behaupten etwa die Gegner des Rückkaufs, bei einem Erfolg des Volksentscheids müsste der Steuerzahler zwei Milliarden Euro für die Netze hinblättern. Das ist schlicht falsch, denn der Senat hat bereits 543,5 Millionen Euro für ein Viertel ausgegeben, sodass der Erwerb weiterer 74,9 Prozent vermutlich weniger als 1,5 Milliarden kosten würde. Die Befürworter spielen die Risiken herunter, die Hamburg mit einem Rückkauf bei der anstehenden Ausschreibung und ohne eigene Kompetenz im Netzbetrieb eingehen würde.

Wenn direkte Demokratie funktionieren soll, müssen vor allem politische und gesellschaftliche Eliten ihrer Aufgabe gerecht werden. Sie müssen den Bürgern die Pro- und Kontra-Argumente vor Volksentscheiden klar und offen darlegen. Information muss im Mittelpunkt stehen, nicht Manipulation. Das sollten in den kommenden Wochen auch die Kontrahenten im Netzestreit beherzigen. Dann kann der Volksentscheid ein Erfolg für Hamburg werden – egal, wie er ausgeht.