Manche Frauen mögen Frauenversteher. Wir anderen lieben Götz George. Jetzt ist er 75, aber wahre Leidenschaft kennt kein Alter

Manche Männer haben eine Eigenschaft, die nicht nur Frauen entzückt, sondern auch Millionen andere Männer hoffen lässt: Ihre Attraktivität schwindet selbst mit dem fortschreitenden Alter nicht. Das gilt – seufz! – für Sean Connery und Mario Adorf, beide 78, oder Tommy Lee Jones, 66.

Und ganz sicher für Götz George, seit Dienstag 75.

Man selber wird ja auch älter. Und kennt diesen Effekt beim Betrachten eigener Jugendfotos: Mein Gott, bin ich dick / knubblig / mager / hager / faltig / ernst / verbittert geworden. Götz George war schon vor 19 Jahren in „Schtonk“ kein Bodybuilder-Adonis mehr (obwohl er sich da als Skandalreporter Hermann Willié so gebärdet). Aber bei ihm wirken die Gesichtsknitterfalten auch heute so charmant, als hätte er gerade darin Mittagsschlaf gehalten. Das muss ihm erst mal jemand nachmachen.

Ich habe im Familien- und Bekanntenkreis nachgefragt: Für die Mehrheit der über 40-Jährigen ist George ein lebensbegleitendes Filmgesicht. Eine 87- jährige Tante erinnert sich noch lebhaft an seine Karl-May-Filme wie „Der Schatz im Silbersee“ von 1962 oder schi“ von 1966, in denen George neben Lex Barker, Pierre Brice und Uschi Glas auftrat. Er war abonniert auf den jugendlichen Draufgänger, der am Ende die Piroschka kriegt.

Das hätte theoretisch so bleiben können – Arnold Schwarzenegger, 65, spielt immer noch in Actionfilmen mit, was bei einem Wadenumfang von 51 Zentimetern wohl verständlich ist. Aber 1981 kam Schimanski, an den sich alle erinnern. Der hat heute einen eigenen Wikipedia-Eintrag. Und während es eine „Generation MTV“ gibt, gibt es gleich mehrere Generationen Schimanski, für die dieser Typ unverwechselbar bleibt: Ruhrpott-Manieren, Parka, trinkfest, aufsässig und immer ein Auge auf die Mädels. Genial im Gespann mit Eberhard Feik als Thanner, dem Bedächtigen, der neben Schimanskis Exzessen noch versuchsweise Restbestände deutscher Vorschriftentreue bewahrte. Unvergessen bleibt die Szene, in der Thanner in jeder Hand eine Portion Currywurst trägt, von Schimanski nach der Uhrzeit gefragt wird und sofort hilfsbereit das Handgelenk umdreht ...

Nachdem Feik 1994 gestorben warmusste in der nächsten „Tatort“-Folge „Die Schwadron“ auch ein Thanner- Double sterben, ein Betonmischer-Lkw walzte es in einer Telefonzelle nieder. Manche Dinge vergisst man nie.

Schimanski gab Deutschland das Gefühl, dass da draußen noch echte Kerle nach dem Rechten sehen und (noch) nicht solche Sensibelchen wie Wallander. Ich behaupte sogar: Der Grund, warum deutsche Frauen erst mit Verspätung auf profeministische Frauenversteher und Ich-koch-fürdich- Kandidaten abfuhren, war Schimanski.

Es liegt an Götz Georges Augen, diesem hellen, graublauen Kinderblick, der ihm darstellerisch eine ungeheure Breite ermöglicht. Er kann den ausgebrannten, gebrochenen Mann in „Solo für Klarinette“ genauso verkörpern wie den von sich selbst berauschten GanoBeven in „Der Sandmann“ und „Schtonk“, einen rächenden Vater in „Blauäugig“ ebenso wie den geistig zurückgebliebenen Massenmörder Fritz Haarmann in „Der Totmacher“.

Halbstarke Söhne, Väter, Großväter, alle hat er über Jahrzehnte an unserem Zuschauerleben entlanggespielt, jetzt sogar die Geschichte des eigenen Vaters Heinrich George und dessen Verstrickungen in der NS-Zeit. Das war mutig, zumal ihm Artur Brauner vorwarf, er glorifiziere die Rolle des Vaters. Aber dass er die NS-Zeit als Schauspieler relativiert hätte, kann man Götz George wahrhaftig nicht nachsagen. 1977 spielte er den Kommandanten des KZ Auschwitz, Rudolf Höß, in „Aus einem deutschen Leben“, und 1999 den SS-Arzt Dr. Josef Mengele in dem Film „Nichts als die Wahrheit“, den er als Koproduzent mitfinanzierte, als die deutsche Filmproduktion kniff.

„Stars sind Menschen, wegen derer die Leute ins Kino gehen. Wegen mir geht keiner ins Kino“, hat er mal gesagt. Da irrt er. Unsere wahren Lieblinge ehren wir nicht mit schnöden Quoten, sondern mit den zentimetertiefen Dellen, die wir ihretwegen vorm Fernseher in die Sofas sitzen, über Jahre und in altersloser Zuneigung.