Hamburg darf nicht nur an den Hafen denken. Die Zukunft der Stadt entscheidet sich eher an den Universitäten

Die Hoffnung stirbt zuletzt. Aber die Nervosität in der Hamburger Hafenwirtschaft wächst von Tag zu Tag. Ein untrügliches Zeichen war vor zwei Wochen die Hauptversammlung der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA). Da sprach Vorstandschef Klaus-Dieter Peters von der „Elbvertiefung als Schicksalsfrage“: Auf der nach oben offenen Rhetorikskala gilt das als schweres Beben.

Aber im Hafen verliert man langsam den Langmut mit der Langsamkeit der Justiz und den Kohlhaas’schen Klageeifer der Umweltverbände. Wohin man hört, den Reedereien wird es langsam zu bunt. „Eine weitere Verzögerung können wir unseren Kunden, insbesondere in Fernost, nicht mehr glaubhaft erklären“, warnte Peters. Das Bundesverwaltungsgericht hat für Herbst eine mündliche Verhandlung angekündigt und wird voraussichtlich kurz danach entscheiden. Während das Verwaltungsgericht in Leipzig zögert, laufen immer neue Riesencontainerschiffe vom Stapel. Die Zeit läuft gegen Hamburg, sie läuft für Rotterdam. Es wäre höchste Zeit, dass der Gesetzgeber einmal nachjustiert.

Wie heißt es so schön in der Präambel der Hamburgischen Verfassung: „Die Freie und Hansestadt Hamburg hat als Welthafenstadt eine ihr durch Geschichte und Lage zugewiesene, besondere Aufgabe gegenüber dem deutschen Volke zu erfüllen.“ Diesen Text darf man durchaus einmal nach Leipzig, Berlin und Brüssel übermitteln.

Doch auch wenn die Fahrrinnenanpassung kommt, ist Hamburg damit nicht aller Sorgen ledig. Denn unbegrenzt lässt sich der Fluss nicht weiter ausbuddeln; schon jetzt beispielsweise ist über dem Elbtunnel Schluss. Sollten die Schiffsgrößen weiter wachsen, wird die Hansestadt diese Grenzen spüren.

Das alles darf das Engagement für den Hafen nicht bremsen, sollte aber zugleich Antrieb sein, mal über einen Plan B für die Stadt nachzudenken. Zumal die fehlende Elbvertiefung nur das Hauptgericht im Krisenmenü der maritimen Wirtschaft ist. Von Schiffsfinanzierern, Reedern, Frachtraten und der HSH Nordbank wollen wir hier gar nicht reden.

Hamburg wäre nicht die erste Hafenstadt, die sich neu erfinden muss. Eine Antwort haben frühere Senate gegeben: Sie haben mitgeholfen, die Keimzelle des Hamburger Flugzeugbaus auf Finkenwerder zum drittgrößten Flugzeugbauer der Welt zu entwickeln. Ähnliche Hoffnungen verbinden die Hamburger nun mit der Windenergie. An der Elbe soll die Hauptstadt erneuerbarer Energien entstehen.

Das alles sind richtige Ziele, doch eine Frage wird in der Hansestadt viel zu selten gestellt, eine Grundvoraussetzung für erfolgreiche Metropolen viel zu selten diskutiert: die Rolle der Universitäten. Es gibt hier durchaus eine schmale Spitze, etwa mit dem Desy, dem Max-Planck-Institut oder der Klimaforschung. Dahinter aber regiert das Mittelmaß, wenn überhaupt. Die Hamburger hat das stets nur wenig bekümmert. Leider führt auch Wissenschaftssenatorin Dorothee Stapelfeldt lieber Struktur- als Qualitätsdebatten, engagiert sich für mehr Demokratie in den Gremien statt für mehr Leistung, hat eher Quoten denn Exzellenz im Blick.

Und die beste Idee der vergangenen Jahrzehnte, auf dem Großen Grasbrook einen Neuanfang mit einer neuen Universität zu wagen, scheiterte an der Hafenlobby in der Handelskammer und dem Aufschrei von Copy- und Coffee-Shops in Eimsbüttel. Wer aber immer nur will, dass alles so bleibt, wie es ist, will nicht, dass es bleibt.

Hochschulpolitisch steckt der Senat in den Achtzigerjahren fest. So richtig das Sparen ist, so gefährlich ist der Rasenmäher bei Zukunftsprojekten. Was etwa hat die Abschaffung der Studiengebühren den Hochschulen gebracht? Welches Signal sendet die Deckelung des Haushalts, der den Hochschulen den Etat real kürzt? Wie verheerend wird der Wegfall von 50 Professorenstellen, viele davon auch in der Mathematik, in den Natur- und den Wirtschaftswissenschaften wirken? Und warum bringt die Reform der Hochschulen den Universitäten nicht ein deutliches Bekenntnis zur Exzellenz? Vielleicht, weil auch viele an der Universität Exzellenz gar nicht so recht wollen, man es sich bequem gemacht hat. Hamburg sonnt sich, um mit Helmut Schmidt zu sprechen, „ein wenig zu selbstgefällig“. Wer weltweit aber an die Spitze will, muss auch Spitze wollen.

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