Die Eröffnung der Gartenschau war kein großer Wurf, die igs ist es schon - für Hamburg

Es wäre kühn zu behaupten, die Internationale Gartenschau (igs) in Wilhelmsburg sei vom Glück verfolgt. Die große Ideenpräsentation des Sprungs über die Elbe etwa fand am 11. September 2001 statt - und ging in den Terrornachrichten unter. Zuletzt raubte ein nicht enden wollender Winter den Gärtnern die Nerven. Und zur großen Eröffnungsveranstaltung präsentierte sich der Hamburger Himmel am Freitag mausgrau, zur Feier setzte der Regen ein. Die Fernsehsender zeigten aus Wilhelmsburg statt bunter Blumen unter blauem Himmel nur das Plastikgrün der Regencapes - der Auftakt zur Großveranstaltung wirkte wie ein ZDF-Sommergarten im Dauerregen. Wer sich spektakuläre Werbung für die Schau auf der Elbinsel erhofft hatte, wurde enttäuscht.

Schlimmer noch: Auch mit Sonnenschein wäre das Provinzielle der Eröffnungsveranstaltung nicht einem weltstädtischen Auftritt gewichen. Zwar fühlt sich die Hansestadt stets als Metropole von Weltrang und kalkuliert mit 2,5 Millionen igs-Besuchern, verharrt dann aber doch zu oft im kleinen Karo zwischen Barmbek und Billstedt. Nichts gegen Lotto King Karl, der ein prima Barde für den Volkspark ist - aber hat die Musikstadt Hamburg zum Start eines Großereignisses nicht etwas mehr zu bieten? Und sind eine plappernde Klappmaulpuppe oder zehn Tänzer der Berufsfachschule wirklich der passende kulturelle Rahmen für die offizielle Eröffnung durch den Bundespräsidenten Joachim Gauck?

Wohl kaum. Geht es doch darum, dem vermutlich mutigsten und wichtigsten Schritt der Stadtentwicklung seit Jahrzehnten das passende Gewicht zu verleihen. Die Internationale Bauausstellung (IBA) und die igs bieten die einmalige Chance für den viel zitierten Sprung über die Elbe. Erstmals seit der Eingliederung des einst hannoverschen Wilhelmsburg 1937 nach Hamburg hat der Senat hier massiv investiert. Den Millionen Euro sollen nun Millionen Besucher folgen, die den Süden der Stadt mit neuen Augen sehen - nicht als sozialen Brennpunkt und Schutthaufen der Städteplaner, sondern als lebenswertes Viertel, als Modell für urbanes Leben der Zukunft.

Es ist misslich, dass dieser ambitionierte Weg nicht konsequent zu Ende gegangen wurde. So durchschneidet die Wilhelmsburger Reichsstraße noch immer den Stadtteil und das Gelände der igs. Erst 2018 dürfte der Verkehr an die Bahntrasse verlegt sein und der Stadtteil eine neue Mitte bekommen - leider fünf Jahre zu spät. Eine Verzögerung, die angesichts der langen Planungszeit unverständlich ist:So werden die Besucher der igs entlang einer Hauptverkehrsader spazieren müssen. Einige dürften sich zudem wundern, dass das Gelände mit dem ehrgeizigen Motto "In 80 Gärten um die Welt" mitunter eher einem Bummel "durch 80 Kleingärten" ähnelt, die man als Zugeständnis an die Alteingesessenen in das Parkgelände integriert hat.

Dieser behutsame Umgang indes - so schräg er in dem Expo-artigen der Gartenschau auch anmutet - war richtig und wichtig. Wilhelmsburg wird nur wachsen, wenn Alteingesessene und Neubürger gemeinsam den Stadtteil aufwerten. Bundespräsident Gauck betonte, ihn habe bewegt, dass die Hansestadt aus dem urbanen Bereich, aus dem Glamourbereich, herausgegangen ist mit einem neuen Projekt.

IBA und igs kümmern sich eben nicht um die Postkartenmotive Alster, Elbufer oder Jungfernstieg, sondern um den Süden. In Wilhelmsburg geht es nicht um die Veredelung des Schönen, sondern um die Urbanisierung des Vernachlässigten. Ob das große Experiment des Sprungs über die Elbe gelingt, hängt nun an den Hamburgern selbst: Die Stadt hat vorgelegt, nun müssen die Bürger springen. Nieselregen, plappernde Puppen oder provinzielles Programm sind keine Ausreden.