Die Ausladung von Corny Littmann zeigt: Das Plenum des selbst verwalteten linken Zentrums sollte sich schleunigst auflösen

Der Text unter der Überschrift "Keine Bühne für Corny Littmann in der Roten Flora" war drei Absätze kurz. Das "Plenum" der Flora tat kund, es wolle dem Kiezunternehmer Littmann nun doch keinen Auftritt im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Lesen ohne Atomstrom" genehmigen. Begründung: "C.L. spielt in der Gentrifizierung St. Paulis eine entscheidende Rolle, war federführend beteiligt an der Teilprivatisierung des Spielbudenplatzes und der damit einhergehenden Vertreibungspolitik. Aktuell klüngelt er mit der Bayerischen Hausbau GmbH gegen die Initiative zum Erhalt der Esso-Häuser." Da sich die Rote Flora als Teil des Kampfes gegen Gentrifizierung sieht, lud sie Littmann aus.

Statt in der Flora wird die "Rio-Reiser-Lesung" mit Littmann, Hollow Skai, Jan Plewka und Rio Reisers früherer Band Ton Steine Scherben nun am 24. April in der Markthalle stattfinden. Die Band hätte zwar gern in der Flora gespielt, unterstützt aber die Verlegung und will auftreten - mit Littmann.

Rio Reiser (1950-1996) und die "Scherben" waren musikalische Idole der Hausbesetzer- und Lehrlingsbewegung, bevor Reiser ab 1986 seine Solokarriere mit Gefühlsrockpop begann. Dass er mit "Junimond", "Jetzt schlägt's dreizehn" oder "König von Deutschland" in den Mainstream-Hitparaden landete, nahmen ihm Anhänger einer linksalternativen Exklusivkultur übel. Sein letztes Album, "Himmel und Hölle", veröffentlichte er sogar bei Sony - einem Konzern! Kein Zweifel, vor den Augen des Flora-Plenums fände Reiser keine Gnade, würde er noch leben. Das wäre ihm wohl allerdings wurscht.

Denn in der wechselvollen Geschichte der Hamburger Hausbesetzungen spielt die Flora nur eine Randrolle. Kaum jemand außerhalb des Schanzenviertels erinnert sich daran, dass das ehemalige Tanzlokal, spätere Kino und 1000-Töpfe-Warenhaus am Schulterblatt 1989 besetzt wurde.

Das selbst verwaltete Zentrum ist auch nicht gerade die Speerspitze der politischen Kultur, sondern eher als Club für Reggae-Partys und Forum des ganz linken Randes bekannt. Wer ist das "Plenum"? Niemand steht mit seinem Namen für die Beschlüsse dieser ominösen Runde ein.

Eine selbstbewusste Gruppe würde deutlich sagen, was sie unter Gentrifizierung versteht, wer wen "vertreibt" und wer was "teilprivatisiert", wenn die unterdrückten Massen den Vorwurf nachvollziehen sollen. Diesen Erklärungswillen hat die Flora offenkundig gar nicht. Ihr Feindbild steht schon fest, wenn jemand wie Littmann mit Lokalen am Spielbudenplatz Geld verdient und einen Diskussionsraum zur Verfügung stellt, damit die Esso-Häuser-Bewohner und der Investor Bayerische Hausbau wenigstens miteinander reden. Damit - zack - wird Littmann für das Plenum zum Handlanger des Kapitals und der Heuschrecken - so schnell geht das.

Guckt man sich mehr Texte des "Plenums" auf der Flora-Website an, fragt man sich ohnehin, ob es noch eine Steigerung von "Nischenexistenz" geben kann. Drei Monate etwa brauchte das Plenum, um sich nachträglich von einer eigenen Veranstaltung mit einer israelischen "Aktivistin und Anarchistin" zu distanzieren. Die fragwürdigen Thesen der Referentin traf die Flora unvorbereitet - mit ihr hatte vorher niemand gesprochen oder für eine Moderation gesorgt. Das sei "schärfstens zu kritisieren", so das Plenum. Als nächster Eintrag folgt eine Distanzierung von einem Flora-Nutzer, der offenbar seine Ex-Freundin stalkte und mit Gewalt bedroht hatte; dazu ersann das Plenum ein Flugblatt "Zum Umgang mit patriarchalen Gewaltverhältnissen in emanzipatorischen Strukturen".

Nur sind die "emanzipatorischen Strukturen" in der Flora den Augen der Weltöffentlichkeit bisher auf unerklärliche Weise verborgen geblieben. Hier kreist eine der letzten linken Encountergruppen um sich selbst und brütet politische Einzeller aus. Man möchte dem Plenum fast anraten, künftig überhaupt keine Veranstaltungen mehr zu planen, um nachträgliche Distanzierungen, Ausladungen und Selbstkasteiungen zu vermeiden. Noch konsequenter wäre die Selbstauflösung.