Warum Kühe auf dem Speiseplan stehen, aber es viele davor ekelt, Pferde zu essen, liegt nicht am Fleisch - sondern an unserer Historie.

Was hat ein Rind, das ein Pferd nicht hat? Millionenfach wird es genussvoll in Hamburgern verspeist. Oder in Lasagne. Ganz anders das Pferd: Verbraucherschützer, Landwirtschaftsexperten und Medienleute nennen es "Fleischskandal", wenn Fertignudelgerichte mit Pferde- statt Rinderhack gefüllt sind.

Der Skandal liegt in der falschen Kennzeichnung, nicht am Pferdefleisch an sich. Magere Stücke sind fettärmer als Rindfleisch und enthalten mehr wertvolles Eisen. Dennoch passt das Pferd offenbar nicht so recht in den Speiseplan - viele Menschen ekelt die Vorstellung, Pferdefleisch zu essen. Das mag zum einen an der Reiterei liegen, zum anderen passt es zur unterschiedlichen Kulturgeschichte der beiden Nutztiere.

Die ersten Hausrinder wurden vor gut 10.000 Jahren im Nahen Osten domestiziert. Als Fleischlieferanten bereicherten sie Ackerbau und Viehzucht, erst später wurden sie auch vor Pflug oder Wagen gespannt. Vor knapp 6000 Jahren machten sich eurasische Steppenvölker das Pferd zum Untertan. Das belegen Knochenfunde aus Gebieten, die heute zu Russland, Kasachstan, der Ukraine und Rumänien gehören. Spuren von Lederriemen am Unterkiefer der Pferdeschädel belegen, dass die Pferde bereits als Reittiere dienten. Anders als beim Rind stand die Nutzung der Muskelkraft im Vordergrund: Als schnelles Zug- und Reittier revolutionierten Pferde den prähistorischen Personen- und Warenverkehr.

Der Anblick von anmutigen Vollblütern, die in imposanter Haltung über die Reitbahn zu schweben scheinen, passt nicht zu dem Gedanken, dass die stolzen Tiere eines Tages in der Wurst landen könnten. Zumindest abseits des Hochleistungssports ist das aber durchaus üblich: Jeder Pferdehalter muss sich frühzeitig entscheiden, ob er sein Tier am Lebensende an den Schlachthof verkaufen oder das tote Tier vom Abdecker beseitigen lassen will. Soll es nach seinem Tod noch als Lebensmittel dienen, so ist der Einsatz von einigen Medikamenten tabu, und alle Behandlungen müssen im Pferdepass eingetragen sein. Doch vielen Pferdefreunden ist die Verwertung ihres Lieblings ein Graus; einige nehmen sogar Geld in die Hand und finanzieren ihm ein Alterswohnsitz auf dem Gnadenhof.

Diese Gnade wird Rindern nicht zuteil. Dass ihr Einsatz als Reittier in der Domestikation keine Rolle spielte, lässt sich beim Rodeo eindrucksvoll nachempfinden. Die Stiere entfalten dabei eine eindrucksvolle Vitalität, ähnlich wie bei spanischen Stierkämpfen. Repräsentativ für die Rinderhaltung sind diese Beispiele jedoch nicht. Vielmehr bieten die massigen Tiere viel Substanz für reichhaltige Mahlzeiten. Um den Fleischansatz zu optimieren, trennte die Züchtung die Rinderwelt in Mast- und Milchvieh. In Europa ist vor allem die Milchkuhhaltung stark entwickelt und gilt als wichtigste Branche der Landwirtschaft.

Rund fünf Millionen Kühe werden in Deutschland gehalten; weltweit sind es etwa 1,3 Milliarden. Mit eingerechnet sind 190 Millionen "heilige Kühe", die Indien bevölkern. Sie werden dort wegen ihres Sanftmutes verehrt - für Hindus ist eine Rindfleisch-Lasagne ein weit größeres Tabu als für die Europäer die Rossvariante.

Schweine, Geflügel, Rinder sind in Europa keine Liebhabertiere wie Hund, Katze, Pferd, sondern wurden zu Objekten der Massenhaltung degradiert. Das zeigte sich in den 1990er-Jahren gerade in Großbritannien, Ursprungsland der aktuellen Aufregung um die Pferdefleisch-Lasagne. Damals bekamen Rinder in manchen Ställen merkwürdige Zuckungen und verendeten qualvoll. Sie litten an der Krankheit BSE (Bovine spongiforme Enzephalopathie), bei der das Hirngewebe allmählich degeneriert. Als Ursache wurde das Verfüttern von Tiermehl an die ursprünglichen Pflanzenfresser ausgemacht.

Die BSE-Krise hat den Rindfleischkonsum zwar einbrechen lassen, doch hat er sich längst erholt. An der Tatsache, dass die Mehrheit der europäischen Fleischesser lieber Kühe als Pferde verspeisen, konnte BSE ohnehin nicht rütteln.