Bayern und Hessen ziehen gegen Länderfinanzausgleich vor Verfassungsgericht

Der Föderalismus hat viele Vorteile. Unter anderem den, dass in einem Staat nicht alles aus einer fernen Hauptstadt heraus bestimmt wird, in der sich neben der Regierung auch noch Wirtschaft und Kultur ballen. Die Gefahr, dass manche Regionen in Bedeutungslosigkeit und Not versinken, ist wesentlich geringer als in Zentralstaaten. Es ist aber auch die komplizierteste aller staatlichen Organisationsformen, die stets den guten Willen aller Beteiligten voraussetzt und meist erst nach langen Verhandlungen und vertrackten Kompromissen zu Ergebnissen kommt.

Das hat in Deutschland Tradition. Schon zu Zeiten der Kleinstaaterei wurden Reichsreformen wie die "Reformatio Sigismundi" erträumt, die alles etwas einfacher, handhabbarer und gerechter machen sollten. Aber so wie der Kaiser Sigismund im 15. Jahrhundert gar nichts mit der ihm zugeschriebenen Reformidee zu tun hatte, geschweige denn, dass sie umgesetzt worden wäre, blieben alle späteren Erneuerungsversuche in Ansätzen stecken, wurden in langwierigen Verhandlungen vertagt oder bis zur Unkenntlichkeit verwässert. Genügend Arbeit gab es dabei immer für das zuständige Reichskammergericht.

In dieser Tradition scheinen sich auch unsere heutigen Bundesländer zu gefallen, wenn sie alle Jahre wieder über ihren Finanzausgleich streiten. Hessen und Bayern sehen nun gar keinen anderen Ausweg mehr, als in Karlsruhe gegen die derzeitige Regelung zu klagen. Gegen ein System, das zugegebenermaßen viele Ungereimtheiten aufweist, intransparent ist und Nehmerländer nicht zu mehr Anstrengungen zwingt. Es ist allerdings auch ein System, dem München und Wiesbaden einst zugestimmt haben und das bis 2019 ohnehin neu gestaltet werden muss. Es ist auch nicht so, dass Bayern, Hessen und Baden-Württemberg als letzte verbliebene Geberländer quasi die Haushalte aller anderen finanzieren, wie die Beschwerdeführer suggerieren.

Sie zahlen in einen Ausgleichsmechanismus ein, der im gesamten Bundesgebiet gleichartige Lebensverhältnisse garantieren soll. Was nicht Gleichmacherei bedeutet. Die Abstände zwischen den Ländern müssten verringert, nicht aber aufgehoben oder ins Gegenteil verkehrt werden - hat das Bundesverfassungsgericht bereits 1999 festgestellt. Alles andere ist Verhandlungssache der Länder. Eine Arbeit, die ihnen kein Gericht abnehmen kann. Doch werden Verhandlungen etwa über die Sinnhaftigkeit des Stadtstaatenprivilegs, nach dem ein Bürger in Hamburg etwa das 1,35-Fache eines Menschen aus einem Flächenland wert ist, oder ob die Hauptstadtfunktionen Berlins nicht vom Bund bezahlt gehören, durch eine Klage nicht erleichtert. Sie stellt eher eine Bankrotterklärung der Politik dar, die so signalisiert, mit ihrer ureigenen Aufgabe, zu verhandeln, zu argumentieren, Mehrheiten zu finden und Interessen auszugleichen, überfordert zu sein. Zudem mögen die Wahltermine im Herbst in Bayern und Hessen eine Rolle spielen. Da muss noch mal demonstriert werden, wie bedingungslos die Regierenden sich für das Wohl ihrer Bürger in die Bresche werfen. Auch wenn vermutlich nichts dabei herauskommt.

Und wenn alle Beteiligten dann doch einmal ernsthaft über die Undurchsichtigkeit und Vertracktheiten des Länderfinanzausgleichs diskutieren, sollten sie auch an ihre Bürger erinnern. Auch die haben den Wunsch nach Klarheit, würden gern einmal ohne Hilfe von Beratern und Fachanwälten ihre Lohnabrechnung, Steuererklärung, Behördenanträge oder ein Planfeststellungsverfahren begreifen können. "Einfacher, niedriger, gerechter" war eine vielleicht etwas zu einfach geratene Parole der Liberalen für die Reform des Steuersystems. Aber auch ein normaler Bürger hat das Recht, verstehen und einordnen zu können, was der Staat von ihm will.