Die USA wählen ihren Präsidenten, und in China wird ein neuer Parteichef inthronisiert.

In der kommenden Woche fallen zwei Personalentscheidungen, die nicht nur weltweites Interesse erregen, sondern auch Einfluss auf so ziemlich jeden Staat der Erde haben werden. Zum einen wählen die Amerikaner am Dienstag in einem zwar etwas altertümlichen, aber urdemokratischen Verfahren ihren neuen Präsidenten. Die Kandidaten sind bekannt, haben sich in ihren Parteien durchsetzen müssen oder schon in der Regierung bewährt und wurden nicht nur auf ihre politischen Ansichten und Pläne hin abgeklopft, sondern bis in das Private durchleuchtet.

Die Amerikaner wählen zwischen Amtsinhaber Barack Obama und Herausforderer Mitt Romney. Sie können entscheiden, wem sie eher zutrauen, die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen und die Arbeitslosigkeit zu senken. Die ganze Welt kann das Geschehen in der Wahlnacht live am Bildschirm oder im Internet verfolgen. Und Spannung ist obendrein garantiert, denn alle Prognosen deuten auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen um das Amt des mächtigsten Mannes der Welt hin.

Zwei Tage nach der Wahl in den USA beginnt in Peking ein Parteitag, der nicht minder wichtige Personalentscheidungen fällt. Allerdings könnte das Verfahren nicht schärfer kontrastieren. Chinas Kommunistische Partei, die so viele Mitglieder hat wie Deutschland Einwohner, nämlich 82 Millionen, bekommt einen neuen Chef. Xi Jinping, 59, beerbt Hu Jintao, 69. Die Personalie steht bereits fest. Von einer Wahl kann also keine Rede sein. Seit Monaten tobte hinter den Kulissen ein Machtkampf, wurde gekungelt und geheim getan. Bis heute ist nicht einmal bekannt, an welchem Tag der Parteikongress endet. Dissidenten werden überwacht und zum Schweigen gebracht. Die Staatsmedien beschwören unisono Erfolge und Fortschritte der Partei, auf dass das Spektakel mit 2270 Delegierten durch nichts gestört werde.

Und über den neuen Vorsitzenden Xi weiß man so wenig wie über den scheidenden Hu bei dessen Amtsübernahme, als sich die ganze Welt fragte: "Who is Hu?" Genauso unklar ist, in welche Richtung der Neue sein aufstrebendes Riesenreich führen will. Geht er die grassierende Korruption an, die gerade im vergangenen Jahr für handfeste Skandale bis in die oberste Führungsspitze gesorgt hat und die die allein herrschende Partei schwer diskreditierte? Tendiert er eher zu leichten Demokratisierungsversuchen oder ist er ein Vertreter der ebenfalls zu beobachtenden Mao-Renaissance? Welche außenpolitischen Linien sind zu erwarten? Das Modell Marktwirtschaft unter kommunistischer Einparteienkontrolle jedenfalls ist an seine Grenzen gestoßen.

Das Wirtschaftswachstum hat nicht nur Wohlstand für eine neue Mittelschicht gebracht, sondern wurde auch auf den Rücken von Abermillionen brutal ausgebeuteten, enteigneten und entrechteten Landbewohner gegründet - gepaart mit hemmungsloser Umweltverschmutzung und Patent-Raub im großen Stil. Neben den sozialen Verwerfungen schwelt Nationalitätenkonflikt, gibt es Streitigkeiten mit den Nachbarländern um Inseln und Ressourcen, klagen Investoren nach wie vor über Rechtsunsicherheit und andere Hemmnisse. China steht an einem Scheideweg, und die Welt muss vorerst rätseln, wohin es sich wendet.

Präsident Obama hat das 21. Jahrhundert zu Beginn seiner Amtszeit zu einem pazifischen erklärt und die Rolle Amerikas in dieser Region betont. Das war vor allem auch auf China und dessen wachsender Rolle in der Welt gemünzt. Wie sich die derzeit wichtigsten Staaten der Erde arrangieren, hat nicht nur auf die Staaten der Region Auswirkungen, die sich nicht allein dem Reich der Mitte und dessen Gravitation ausgesetzt sehen wollen. Es wird auch Europas Wirtschaft und damit unseren Wohlstand wesentlich beeinflussen. In wenigen Tagen werden - in diametral entgegengesetzten Verfahren - die globalen Spieler der nahen Zukunft bestimmt.