Die Planer argumentieren mit fragwürdigen Argumenten. Das Projekt könnte das nächste Millionen-Grab werden

Was haben wir gelacht, damals im Februar 2004. Da bekam die Hansestadt ein weiteres Gesetz, 22 Paragrafen stark nebst Anhang, das in der Elbmetropole ungefähr so überflüssig ist wie ein Regenmacher: das Hamburgische Seilbahngesetz.

Hohn und Spott prasselten damals auf den Gesetzgeber ein. Karikaturisten und Humoristen feierten den Wahnsinn der Bürokratie, Kommentatoren bekamen ein schlagkräftiges Argument an die Hand, mit Verve nach Deregulierung zu rufen und die EU zu kritisieren. Schließlich war Brüssel der Auslöser der Posse, in ganz Europa ein Seilbahngesetz zu verabschieden.

Auch dem Senat war die Sache ziemlich peinlich: Er bedauerte, die Bürgerschaft mit derlei Dingen behelligen zu müssen, schließlich sei Hamburg "wegen seiner natürlichen Gegebenheiten offenkundig kein Schwerpunkt des Seilbahnbetriebes."

So kann man sich irren - nicht einmal ein Jahrzehnt später drängt es viele in der Metropole mit Macht nach einer Seilbahn über die Elbe.

Der Musicalveranstalter Stage Entertainment möchte mit dem österreichischen Seilbahnproduzenten Doppelmayr in Zukunft über Hafen und Fluss schweben. Unpünktlich ein Jahr nach der Internationalen Gartenschau soll das Vorhaben realisiert werden und das Theater Fliegende Bauten an der Glacischaussee mit dem Musicaltheater auf Steinwerder verbinden. Der ursprünglich geplante Sprung über die Elbe bis nach Wilhelmsburg, dem Standort der Gartenschau, ist längst verworfen.

Trotzdem kämpft eine starke Seilschaft für die Investition. Der Tourismusverband trommelt genauso laut dafür wie die Handelskammer, die Wirtschaftsbehörde findet es prima, und auch der Gaststättenverband Dehoga lässt die Investoren nicht hängen. Ein vermeintliches Totschlagargument hat die FDP parat: "Private Initiativen, die die Attraktivität der Stadt steigern und darüber hinaus den öffentlichen Personennahverkehr entlasten, müssen unterstützt werden."

So, müssen sie das wirklich?

Auch wenn Stage verspricht, die 35 Millionen Euro Baukosten ganz allein zu stemmen, sollten in einer demokratisch verfassten Stadt nicht nur Investoren, sondern zunächst vor allem die Bürger entscheiden.

Und die sind offenbar nicht so einhellig für Kabinen, die in 80 Meter Höhe durch den Hafen gondeln. Auch wenn der Dom auf St. Pauli zu Hause ist, muss Hamburgs bekanntester Stadtteil noch lange nicht zum Rummelplatz werden. Es darf bezweifelt werden, dass die Anwohner sich von günstigen Fahrkarten ködern lassen. Was, bitte schön, sollen die Bewohner von St. Pauli auf Steinwerder anstellen?

Und was, bitte schön, hat eine Seilbahn eigentlich in Hamburg verloren? Die Menschen haben durch den Geesthang, die Kirchtürme und etliche Hochhäuser seit Langem einen Panoramablick auf den Hafen. Die FDP verweist darauf, auch Weltstädte wie zum Beispiel Singapur, Barcelona und Lissabon hätten eine Seilbahn. Und nicht zu vergessen Koblenz. Koblenz! Die Größe einer Sache erkennt man an ihren Vorbildern.

Weil in Hamburg seit Jahren aber erlaubt wird, was Touristen gefällt, sollte man die Tage ohne Seilbahn an der Elbe genießen - sie könnten gezählt sein. Spannend dürfte werden, wenn sich das Investment als weiteres Millionengrab an der Elbe entpuppt. Wer schießt Geld zu, wer betreibt die Seilbahn im Ernstfall weiter - und wer bezahlt den Abbau? Steigt am Ende gar der Steuerzahler ein? Immerhin würde eine Seilbahn das Portfolio der Stadt abrunden, die außer einer Stadtbahn schon sämtliche Verkehrsträger von Bussen und Bahnen bis hin zu Hafenfähren und Containerschiffen ihr Eigen nennen darf.

Aber wir wollen nicht unsachlich werden, sondern nüchtern noch zwei Sätze des Richtervereins zitieren: "Wird Hamburg daher künftig zur Erhöhung seiner touristischen Attraktivität zu einem Seilbahnstandort ausgebaut werden ...? Werden die Besucher des Musicals "Der König der Löwen" demnächst per Seilbahn die Elbe überqueren?", schrieb im Jahre 2004 Carsten Rinio in einer Glosse über das Seilbahngesetz. Noch absurder als Satire ist eben nur eins - die Realität.

Matthias Iken beleuchtet in der Kolumne "Hamburger KRITiken" jeden Montag Hamburg und die Welt