Erfolglose Bundesligatrainer müssen nicht unter Entlassungsschutz stehen. Veralbert wird in erster Linie der Zuschauer

Nun hat also auch Bruno Labbadia eine Wutrede gehalten. Wie einst der große Giovanni Trapattoni. Er hat es in seiner Ansprache mit Schmackes nach allen Regeln der Trainer-Kunst krachen lassen. Der Coach des Tabellenfünfzehnten VfB Stuttgart befand aufgebracht: "Wir Trainer werden wie der letzte Depp behandelt." Dann folgten noch ein paar kräftigere Ausdrücke - und er hatte fertig.

Bruno Labbadia, den wir einst in Hamburg als HSV-Stürmer sowie als Trainer der Rothosen erleben durften, hat nun also im Ländle Dampf abgelassen. "Die Grenze ist erreicht", zürnte er. Und: "Das Fass ist voll." Labbadia hätte es auch abkürzen können. Denn eigentlich heißt seine These: "Ich fordere Entlassungsschutz für alle deutschen Profi-Trainer von Tabellenplatz zehn abwärts." Das hätte es auf den Punkt gebracht, wäre aber eben keine Wutrede gewesen.

Soll man jetzt auch die Trainer in Watte packen? Dann müssen wir aber auch überhören, wenn sie vor einem Spiel mit ernster Miene sagen: "Wir treten hier nicht an, um einen Punkt zu holen. Wir wollen hier gewinnen." Oder: "Meine Spieler haben in dieser Woche hart und konzentriert gearbeitet, wir gehen bestens gerüstet in diese 90 Minuten."

Wer ist hier der Depp? Veralbert werden doch in erster Linie die Zuschauer. Wer von ihnen muss nicht hart und konzentriert arbeiten, wenn er denn Arbeit hat? Wer will nicht gewinnen, wenn er in ein Spiel geht? Obwohl die Standardfloskeln vieler Trainer zum Davonlaufen sind, bleiben die Zuschauer. Ihre Zahlen steigen ständig weiter. Trotz der vielen Schubladen, die ständig von den Herren Fußballlehrern aufgezogen und wieder zugeschoben werden.

Wenn der Erfolg ausbleibt, steht nun einmal der Trainer im Mittelpunkt der Kritik. Das war so, als die Geschichte der Bundesliga begann, das ist auch heute noch so - und wird in 20 Jahren immer noch so sein. Es sei denn, der von Labbadia angestrebte Kündigungsschutz trägt Früchte, und künftig wird kein deutscher Fußballlehrer mehr infrage gestellt - egal wie schlecht die Punktausbeute auch ist.

Ich warte eher auf zwei andere Dinge im Fußball. Erstens sollten in der Woche nicht nur die Spieler "hart und konzentriert arbeiten", sondern auch die Trainer. Denn Ärmel aufkrempeln und Extraschichten in Ausnahmesituationen - das steht doch bei den meisten schon seit vielen Jahren kaum noch auf dem Programm. Und zweitens warte ich auf jenen Tag, an dem ein Verein nicht einen bereits achtmal entlassenen Trainer als "Messias" verpflichtet, sondern einen unbekannten Mann, der es im Amateurfußball mit harter und ehrlicher Arbeit bereits zu Meriten gebracht hat. So wie zum Beispiel Christian Streich in Freiburg oder einst Christoph Daum in Köln. Oder auch der heutige DFB-Sportdirektor Robin Dutt. Es gibt solche Einzelfälle, ganz gewiss: Keine ehemaligen Nationalspieler oder Profis, aber dennoch gute Fußballlehrer. Solche relativ unbekannten Trainer zu finden, das sollte eine neue Priorität bei den Vereinen werden. Diese Leute aus der zweiten oder gar dritten Reihe erkennen und dann auch den Mut haben, sie zu verpflichten. Zur Not auch gegen den "eindringlichen und lauten Rat" seiner entsetzten und deshalb protestierenden Fans.

Übrigens: Am 21. Oktober kommt der VfB Stuttgart in den Volkspark. Mit Bruno Labbadia. Und der will in Hamburg gewinnen. Weil seine Mannschaft im Hinblick auf das Spiel gegen den HSV "hart und konzentriert" gearbeitet hat. Ganz sicher.

Die HSV-Kolumne "Matz ab" finden Sie täglich im Internet unter www.abendblatt.de/matz-ab