Über Steinbrück als Kanzlerkandidat

Die zentrale Erkenntnis dieses turbulenten Wochenendes ist also die, dass die SPD keine Kraft (die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin) bekommen hat, sondern einen Steinbrück. Offensichtlich will Kraft nicht, und offensichtlich ist die Partei zum Schluss gekommen, dass man die Hoffnungsträgerin vom Rhein, die als "Mutti der Linken" durchaus merkelsche Qualitäten entwickeln könnte, nicht vorzeitig verheizen will. Man hebt sie gleichsam für den nächsten Wahlkampf auf. Steinbrück erhält unterdessen Applaus von den Gemäßigten in seiner Partei. Die Altkanzler Schmidt und Schröder, die letzten großen Sozialreformer dieses Landes, sind begeistert, angetan ist auch der bürgerliche "Seeheimer Kreis".

Neue Zürcher Zeitung, Zürich

Während die Spitzentroika der SPD jede Kooperation mit den Linken und der Piratenpartei, die ebenfalls den Einzug in den Bundestag schaffen können, stolz ablehnt, hat sie nicht die überzeugendsten Siegeschancen. Außerdem ist die Bundeskanzlerin populärer und angesehener als ihr Konkurrent. (...) Dies bedeutet aber nicht, dass Merkel keinen Grund zur Besorgnis hat. Es ist nicht ausgeschlossen, dass ihr Koalitionspartner FDP den Einzug in den Bundestag nicht mehr schafft. Steinbrücks Prophezeiung wird jedenfalls stimmen: "Es wird diese Bundes-regierung in zwölf Monaten nicht mehr geben."

Nesawissimaja Gaseta, Moskau

Zur Euro-Krise und den Protesten am Wochenende

Die Demonstranten in Madrid und Athen, die den Sparkurs verdammen, sind das Gegenstück von Bundesbank-Chef Jens Weidmann und jenen deutschen Ökonomen, die gegen weitere Hilfsgelder wettern. Beide haben wirtschaftlich teilweise recht, aber politisch völlig unrecht: Denn nur in einer Kombination beider Strategien ist ein Ausweg aus der Krise vorstellbar. (...) Trotz des Störfeuers von allenSeiten schreiten EU-Kommission, EZB und die Regierungschefs derEuro-Zone auf dem schmalen Grat weiter voran. Aber je langsamer sie sich bewegen, desto größer wird die Absturzgefahr.

Der Standard, Wien