Der Streit um die Husumer Energiemesse symbolisiert die politische Verstimmung zwischen Schleswig-Holstein und Hamburg

Man weiß gar nicht, was man schlimmer finden soll: dass die Hansestadt Husum die Windmesse abzuwerben versucht - oder die Tatsache, dass offenbar die meisten Hamburger dies ganz in Ordnung finden. Natürlich sollen Messestandorte konkurrieren. Und natürlich gibt es für eine Boombranche gute Gründe, vom Deich in eine Millionenmetropole zu ziehen - erst recht, wenn es sich der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagebau wünscht.

Doch der Kampf zwischen David und Goliath findet eben nicht im luftleeren, staatsfernen Raum statt, sondern zwischen zwei Bundesländern. Auf der einen Seite steht die Hamburg Messe, eine 100-prozentige Tochter der Hamburger Gesellschaft für Vermögens- und Beteiligungsmanagement, auf der anderen Seite die Messe Husum der Husumer Wirtschaftsgesellschaft. Die Windenergy ist für den Norden nicht einfach eine Ausstellung, es ist die Messe im Land, eine der raren Erfolgsgeschichten, auf die man stolz ist.

Der Streit um die Windmesse ist zum Politikum geworden. Und Grund genug, den Nutzen einer Wachstumsmesse in Hamburg den politischen Folgekosten gegenüberzustellen. Denn die könnten verdammt teuer werden - erstmals in diesem Jahrtausend beharken sich Hamburg und Schleswig-Holstein auf unschöne Weise.

Das kennt man gar nicht mehr - zumindest nicht mehr seit der Amtszeit der Regierungschefs Björn Engholm und Hennig Voscherau, die nie so recht zueinanderfanden. Drolligerweise harmonierten Christdemokraten und Sozialdemokraten in der Vergangenheit stets besser als Sozis untereinander. Spätestens nach dem Amtsantritt von Ole von Beust (CDU) präsentierten sich die beiden Länder als harmonisches Paar: Die damalige Ministerpräsidentin Heide Simonis (SPD) und Beust fanden schnell eine gemeinsame Ebene und vertieften die Zusammenarbeit. Sie verschmolzen die Landesbanken zur HSH Nordbank, legten die Statistischen Landesämter, Medienanstalten, Filmförderung, Eichämter und Datenzentralen zusammen. Dabei nahmen die Hamburger dem nördlichen Partner das Gefühl, "immer das schlechtere Ende von der Wurst zu bekommen", wie es ein ehemaliger Politiker der Hansestadt ausdrückt. So gingen die Zentralen der gemeinsamen Töchter nach Altenholz oder Elmshorn. Hamburg konnte das verschmerzen. Und korrigierte das Bild einer Stadt, die im Umland oft als arrogant wahrgenommen wurde. Ja, Ole von Beust lud die Kleinstadtbürgermeister gar zur Konferenz der Metropolregion ins Hamburger Rathaus. Kleine Gesten, die große Wirkung entfalten.

Vorbei. In der Regierungserklärung von Olaf Scholz spielte die norddeutsche Zusammenarbeit keine Rolle. Im Windstreit kommen nun neue Töne aus Kiel. Der energiepolitische Sprecher der Grünen, Detlef Matthiessen, nennt den Abbruch der Verhandlungen über die Zukunft der Windmesse "eine maximale Provokation" von Hamburgs Bürgermeister Scholz gegenüber seinen nördlichen Nachbarn. Das Werben der Hansestadt bezeichnet er als "Angriff auf den Messestandort Husum". Auch wenn Hamburg darin keinen kriegerischen Akt sieht - für einen Krieg reicht es, dass einer sich angegriffen fühlt.

Ein politischer Krieg aber ist das Letzte, was Hamburg gebrauchen kann. Als Stadtstaat ist die Hansestadt auf das Wohlwollen der Nachbarn angewiesen - dies beginnt bei der Hafenentwicklung und Elbvertiefung, erstreckt sich über die Schulpolitik und endet noch nicht am Flughafen oder bei gemeinsamen Verkehrsprojekten wie der S 4 nach Ahrensburg oder der A 20 zur Entlastung des Elbtunnels. Erst am Mittwoch kam Angela Merkel nach Hamburg, um den Teilchenbeschleuniger "Max von der Laue" zu taufen - auch die Forschungseinrichtung Desy ist auf Schleswig-Holstein angewiesen. Das Wachstum der Hansestadt könnte an einer Grenze enden - an der von Holstein.

Der Rosenkrieg im Norden kommt zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt. Gerade erst hat in Kiel die Regierung aus SPD, Grünen und dem Südschleswigschen Wählerverband ihre Geschäfte aufgenommen. Schon allein in dieser Konstellation liegt eine Nordverschiebung der Politik. Nun jagt der Senat die Kieler weiter Richtung Dänemark. Das könnte sich beim nächsten Streitfall rächen - am Donnerstag kippte die Kieler Regierung die Verklappung Hamburger Hafenschlicks vor Helgoland. Wer Wind sät, wird Sturm ernten.

Matthias Iken beleuchtet in der Kolumne "Hamburger KRITiken" jeden Montag Hamburg und die Welt