Peter Gauweiler und Gregor Gysi sind sich einig in ihrer Klage gegen den Euro-Rettungsschirm. Hier funktioniert die Wiedervereinigung

Früher war er der scharfe Hund der CSU. Der "schwarze Peter". Ein Hardliner, der die Wehrmachtsausstellung in München verbieten und HIV-Infizierte "absondern" lassen wollte. Den Meisterschüler von Franz Josef Strauß haben sie ihn damals genannt, und das war nicht als Kompliment gemeint.

Heute ist er der "Querulant" oder der "Krawallmacher" vom Dienst, und das freut ihn, den Peter Gauweiler, denn jeder Herdentrieb ist ihm verhasst. Wenn sich alles auf die eine Seite setze, hat er mal gesagt, dann müsse er sich auf die andere setzen. "Ich krieg sonst einen Ausschlag!"

In Berlin kriegen sie einen Anfall, wenn Gauweiler mal wieder vor den Bundesgerichtshof zieht. Das hat er sich im Laufe der Jahre ja so angewöhnt, wenn er glaubt, dass etwas schiefläuft im Land. Gauweiler hat schon gegen den Tornado-Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan geklagt (2007), gegen den Lissabon-Vertrag (2009), gegen den vorläufigen Euro-Rettungsschirm EFSF (2011) und, gerade eben, gegen den ESM-Vertrag. Gauweiler ist nämlich der festen Überzeugung, dass der Vertrag aus der EU eine "Haftungs- und Transferunion" macht. Mit ihm sind Gregor Gysi und die Linksfraktion und weitere 37 000 Bürger vor den Kadi gezogen. Es war die größte Klage, die das Gericht je erlebt hat. Und obwohl die Karlsruher Richter die Klage am Mittwoch (unter Auflagen!) abwiesen, konnte man anschließend sehen, wie blank die Nerven hier und da gelegen hatten. Zum Beispiel beim Alt-Grünen Jürgen Trittin, der nach der Urteilsverkündung gehässig rief, Gauweiler und Gysi hätten "eine auf die Zwölf bekommen".

Tja. Das hätte sich der Münchner vor zehn Jahren auch nicht träumen lassen, dass er mal mit einem Ex-Kommunisten in einem Boot sitzen würde. Und umgekehrt gilt vermutlich dasselbe. Gauweiler und Gysi waren im politischen Kosmos ja so weit voneinander entfernt wie die Milchstraße von der Andromeda-Galaxie. Den CSU-Mann hatten die Linken für die Inkarnation des politisch Bösen gehalten - inzwischen wird der Münchner von Gregor Gysi zum Geburtstag eingeladen!

Das Wort Freundschaft ist vielleicht noch zu hoch gegriffen, aber dass die beiden sich sehr schätzen und über die Juristerei, die sie verbindet, auch sehr gut verstehen, ist im Bundestag kein Geheimnis. Im Juni 2008, als Gysi sich erneut dagegen wehrte, als IM gearbeitet zu haben, veröffentlichte Gauweiler in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" eine Art Ehrenerklärung für den Kollegen, in der er schrieb, Gysi habe zu DDR-Zeiten als Anwalt im Interesse seiner Mandanten mit denen verhandelt, die "die Schlüsselgewalt" im Staat gehabt hätten. Mit welcher Dienststelle er damals "gedealt" habe, sei deshalb "völlig irrelevant"! Das hat in der CSU ganz schön eingeschlagen, und in der Linkspartei hat es auch vielen nicht gepasst, wo man die Welt auch lieber in Schwarz und Weiß einteilt, weil es halt bequemer ist, und wo man die Leute aus der CSU gerne weiter für reaktionär halten will.

Gauweiler und Gysi sind irgendwie der nette Beweis dafür, dass es ganz gut funktioniert im wiedervereinten Deutschland. Die beiden haben ja schon 2007 und 2009 in Karlsruhe gemeinsame Sache gemacht. Jedenfalls scheint es keine unüberbrückbaren Gegensätze mehr zu geben, wenn zwei Männer, die von den entgegengesetzten politischen Polen kommen, ab und an eine schnelle Rechts-links-Kombination bilden.

Sie sind übrigens nahezu gleich alt. Gysi ist Jahrgang 1948, Gauweiler Jahrgang 1949. Beide stammen aus bürgerlichen Verhältnissen. Gysis Vater war in der DDR Kulturminister und anschließend Botschafter in Italien, Gauweilers Vater war Rechtsanwalt in München.

Beide sind ihren Parteien mit ihrem scharfen Intellekt nicht immer ganz geheuer, beide sind Publikumslieblinge der jeweiligen Basis und füllen mühelos jeden Saal. Und schließlich: Beide können irgendwie von der Politik nicht lassen. Vermutlich ist Gysi in Gauweilers Augen fast schon so ein geschätzter "Gegenkamerad" wie der Münchner Oberbürgermeister Christian Ude.