Warum Sahra Wagenknecht und ihr neues Heim so beliebt sind und wie SPD-Chef Sigmar Gabriel in seine Babypause rutschte

Es ist nicht bekannt, was Sigmar Gabriel gerade gemacht hat, als am 9. November 1989 die Mauer fiel. Sahra Wagenknecht hat sich jedenfalls zu Hause eingeschlossen und Kant gelesen. Ausgerechnet! Heißt es bei Kant nicht, Erfahrung sei verstandene Wahrnehmung? Egal, ist ja schon ein paar Tage her, und inzwischen will Deutschlands berühmteste Kommunistin die DDR ja auch gar nicht mehr wiederhaben. Sagt sie. Genau genommen hört sich das bei Wagenknecht so an: "Der Sozialismus, den ich mir für die Zukunft wünsche, darf es niemals nötig haben, sich einzumauern." Was in etwa auf dasselbe hinausläuft.

Früher ist die 43-Jährige eine Art Persona non grata im öffentlich-rechtlichen Fernsehen gewesen. Da ließ man sie höchstens mal in Zusammenschnitten von PDS-Parteitagen gegen die Kapitalisten und ihre soziale Kälte wettern - sozusagen zum Beweis für den Irrsinn, der bei den SED-Erben herrschte. Aber dann kam die Finanzkrise, und damit wurde Wagenknechts Kapitalismuskritik salonfähig. Richtig gewendet hat sich das Blatt aber, seit Wagenknecht mit Oskar Lafontaine zusammenlebt. Die Frau, die immer im strengen Rosa-Luxemburg-Look daherkommt, sei "weicher" geworden, heißt es neuerdings. Sogar die Yellowpress staunt über die einstige Hardlinerin. Das ungewohnte Lächeln ab und zu, das nette Häuschen im saarländischen Silwingen, das Boule-Spielen, das man dort betreibt - all das wird jetzt mit spürbarer Sympathie registriert.

Während die stellvertretende Linkspartei-Vorsitzende also irgendwie "in" ist - die Talkshows reißen sich um sie -, ist der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel irgendwie "out". Seit er verkündet hat, dass er eine "Babypause" einlegt ("Wir machen es wie Tausende andere Eltern auch!"), sitzt der 52-Jährige ja in Magdeburg fest, wo seine Freundin Zahnärztin ist, und darf sich quasi nicht mehr aus dem Haus mucksen. Über seine Ausflüge nach Goslar oder in die Berliner Parteizentrale führen die Feministinnen seiner Partei genauestens Buch. Frauen wie Cordula Drautz und Anna-Katharina Meßmer, mit denen nicht gut Kirschen essen ist.

Drautz und Meßmer gehörten zu den "Erstunterzeichnerinnen" des offenen Briefs, der Gabriel am 28. März ins Büro flatterte. Darin stellten die Damen nach einer knappen Einleitung - "Wir freuen uns für Sie und Ihre Lebensgefährtin ...", bla, bla, bla - inquisitorische Fragen. Zum Beispiel die: "Wie steht es für Sie als Politiker um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie?" Und die: "Wie schnell werden Sie nach der Geburt Ihres Kindes wieder Ihren Beruf aufnehmen?" Oder die: "Machen Sie sich Sorgen, dass Ihr Job Begehrlichkeiten weckt, wenn Sie die Berufsarbeit unterbrechen?"

Der Schlusssatz setzte Gabriel die Pistole auf die Brust: "Sie haben eine wunderbare Chance, als Vorsitzender der SPD das Leitbild einer partnerschaftlichen Familie öffentlich wirksam vorzuleben und ihm damit neue Wege zu bahnen. Wir würden uns freuen, wenn Sie diese Chance wahrnehmen."

Tja. Deshalb macht er jetzt "Babypause". In Magdeburg. Drei Monate! Da sitzt er nun wie festgelötet und hat erst die Hälfte rum.

Um im Rennen um die Spitzenkandidatur nicht ins Hintertreffen zu geraten, twittert er wie ein Weltmeister. Mal verlangt er eine Zwangsabgabe für Reiche, mal präsentiert er einen Acht-Punkte-Plan, der die Macht der Banken brechen soll.

In dieser Woche hat Sigmar Gabriel Freund und Feind mit der Forderung auf Trab gehalten, die Schulden aller Euro-Staaten sollten vergemeinschaftet werden. Und zum Beweis, dass er sich nebenher tatsächlich um die kleine Marie kümmert - was einige seiner Aufpasserinnen angesichts dessen, was die "Stuttgarter Zeitung" in dieser Woche "Gabriels Sommer-Feuerwerk" nannte, schon angezweifelt haben -, ließ er sich am Laptop in der Magdeburger Wohnung ablichten.

Egal, ob in oder out, Sigmar Gabriel kann man sich nun mit etwas Mühe als Hausmann vorstellen - aber Wagenknecht als Hausfrau? Sagen wir's mal so: Da gibt's in Silwingen noch jede Menge zu tun!