Die FDP macht sich mit inhaltlicher Leere und thematischer Verengung selbst überflüssig.

Neid muss man sich erarbeiten, Mitleid bekommt man geschenkt. Ganz bitter wird es, wenn das Geschenk vom politischen Gegner kommt. Wenn etwa der Grünen-Chef Cem Özdemir den Umgang der FDP mit ihrem Noch-Außenminister und Ex-Vorsitzenden Guido Westerwelle (FDP) als "ungeheuerlich" und Zeichen für die Verrohung der Gesellschaft brandmarkt.

Tatsächlich hat die Debatte um den glücklos agierenden Chefdiplomaten den Liberalen in den vergangenen Wochen immens geschadet und sicherlich zum desaströsen Wahlergebnis in Mecklenburg-Vorpommern beigetragen. Westerwelle ist aber nicht allein schuld an der Misere der FDP. Da könnten noch viele andere Namen genannt werden - etwa die einer ganzen Garde individualistischer Selbstdarsteller oder auch der des neuen Vorsitzenden Rösler, der den versprochenen Neuanfang bisher gründlich verstolpert hat, oder des eloquenten Generalsekretärs Lindner, dessen durchaus bemerkenswerten Ausführungen über Liberalismus im Allgemeinen sowie zu Freiheit und Verantwortung im Besonderen nichts Konkretes folgt.

Das weist auf das eigentliche Problem der FDP hin. Es erschöpft sich nicht in Personalfragen, sondern ist ein substanzielles. In der praktischen Politik haben sich die deutschen Liberalen von ureigenen Themen wie Bürgerrechten und Umweltschutz schon längst verabschiedet. Sie lassen ihre wackere Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger zwar tapfer gegen einen anscheinend übermächtig werdenden Staat anrennen - verweigern ihr aber regelmäßig die nötige Rückendeckung. Geschweige denn, dass sie schlüssige Alternativen in Zeiten des internationalen Terrors bieten würden.

Als Genscher 1969 Innenminister wurde, schuf er umgehend die "Arbeitsgemeinschaft für Umweltfragen" und das Umweltbundesamt. Seine Epigonen sind dadurch aufgefallen, dass sie nach der Fukushima-Katastrophe zwischen Turbo-Ausstieg und hinhaltender Verteidigung der Kernenergie schwankten.

Die stets Wirtschaftskompetenz für sich reklamierende Truppe findet weder ernst zu nehmende Antworten auf die globale Finanzkrise noch überzeugende Argumente für freiheitliche Wirtschaftspolitik. Und schließlich haben die Wortführer der Entbürokratisierung und des einfacheren, billigeren und gerechteren Steuersystems ihren Wiedereinstieg in die Bundesregierung mit dem glatten Gegenteil gekrönt: der ermäßigten Mehrwertsteuer auf Hotelübernachtungen. Dabei war man auch noch taktisch so ungeschickt, den Volkszorn über den genauso von der CSU betriebenen Coup allein auf sich zu ziehen.

Nun neigen die Deutschen traditionell eher Werten wie Sicherheit und Gerechtigkeit als der Freiheit und den damit verbundenen Chancen zu. Umso größer wäre die Aufgabe für eine liberale Partei, daran etwas zu ändern. Doch davon ist die FDP weiter entfernt denn je. Sie erschöpft sich darin, intern Posten zu verteilen und extern kleine Vorteile für die eigene Klientel durchzusetzen. Das beschert sichere Einkünfte und wird zumindest von den Begünstigten als gerecht empfunden.

So haben die Deutschen zwar die liberale Partei, die sie verdienen - aber eigentlich auch gar nicht brauchen. Umweltpolitik, Bürgerrechte oder Wirtschaftskompetenz haben auch alle anderen Parteien - meist überzeugender - im Angebot. Mit inhaltlicher Leere und thematischer Verengung macht sich die Partei selbst überflüssig. Das unterscheidet den gegenwärtigen Sinkflug von früheren zyklischen Aufs und Abs, die es immer gegeben hat. Mittlerweile nimmt ihre Krise existenzbedrohende Züge an, die sich nicht mit Späßen des Vorsitzenden oder markigen Sprüchen des Generalsekretärs kaschieren lassen.