Nach der Wende wurden Mecklenburger und Vorpommern zusammengeschmiedet. Gemeinsam stehen sie jetzt wieder vor der Wahl

Von Bismarck stammt die Bemerkung, wenn der Weltuntergang bevorstünde, zöge er nach Mecklenburg, denn da passiere alles 100 Jahre später. Man kann sich vorstellen, dass dieses Bonmot bei den Leuten zwischen Wismar und Rostock, Parchim und Neubrandenburg bis heute nicht gut ankommt. Zumal die Mecklenburger zwar immer von Preußen umgeben, Preußen aber nie einverleibt waren. Im Gegensatz zu den Vorpommern, mit denen die Mecklenburger im Zuge der Wiedervereinigung 1990 zusammengeschmiedet wurden. Was nicht ohne Reibereien abging: Noch Monate nach seiner Gründung war das nordöstlichste Bundesland ohne Landeswappen, weil die Vorpommern lange nicht von ihrem Verdacht abzubringen waren, dass die Mecklenburger sie übervorteilen wollten.

Heute stehen der bekrönte mecklenburgische Stierkopf und der pommersche Greif gleichberechtigt nebeneinander, es soll aber zuweilen vorkommen, dass man sich liebevoll mit "mecklenburgischer Ossenkopp" oder "pommerscher Aasvogel" anspricht.

Seit 1990 sitzen sie also in einem Boot. Gemeinsam haben Mecklenburger und Vorpommern versucht, mit den Folgen einer eklatanten Strukturschwäche, anhaltend hoher Arbeitslosigkeit und dramatischer Abwanderung fertig zu werden. Immerhin sind elf Prozent der Einwohner in den vergangenen 20 Jahren gegangen. Fast alle, die geblieben sind - genau gesagt 94 Prozent -, sagen trotzig, dass sie sich nicht vorstellen könnten, woanders zu leben.

Wer je auf Rügen oder Hiddensee, im Oderbruch oder an der Müritz gewesen ist, wird das verstehen. Und mag es auch etwas dick aufgetragen sein, wenn der amtierende Ministerpräsident von sich behauptet, kein Fernweh mehr zu kennen, seit er vor sieben Jahren nach Mecklenburg-Vorpommern umgezogen sei - unvorstellbar ist es nicht.

Dieser Erwin Sellering, der 1994 als Verwaltungsrichter aus Nordrhein-Westfalen kam und sich irgendwann entschloss, aktiv Politik zu machen, stellt sich am Sonntag zur Wiederwahl.

Der SPD-Politiker ist übrigens erst der vierte Regierungschef seit 1990, was für die Annahme spricht, dass die Mecklenburger und die Vorpommern gern an Vertrautem festhalten. Die Nation haben sie übrigens mit zwei sehr dauerhaften Erfindungen beglückt, dem Strandkorb und dem Bismarckhering. Die Welt beschenkten sie mit den Bildern Caspar David Friedrichs. Für Literaten - die Manns und die Hauptmanns auf Hiddensee, Hans Fallada in Greifswald, Maxim Gorki in Heringsdorf, Brigitte Reimann in Neubrandenburg, Uwe Johnson in Ahrenshoop, Hermann Kant in Neustrelitz - scheint das weite Land Quell besonderer Inspiration zu sein. Ein Paradies, ganz im Sinne des "Nationaldichters" Fritz Reuter, der einst schrieb: "As uns Hergott de Welt erschaffen ded, fung hei bi Meckelnborg an." Die Pommern müssen darüber gar nicht eifersüchtig werden, einer der ihren hat immerhin die Berliner Mauer zu Fall gebracht: Günter Schabowski, der sich am 9. November 1989 durch seine Auslegung der neuen Reiseregeln in die Geschichtsbücher einschrieb - "Das tritt nach meiner Kenntnis ... ist das sofort, unverzüglich ..." -, stammt aus Anklam.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass in diesem schönen Land am Rande der Republik einiges schwieriger ist als anderswo. Immerhin ist der Tourismus schön in Fahrt gekommen. Knapp 30 Millionen Übernachtungen verbuchten die Fremdenverkehrsämter 2010.

Abgesehen von den Deutschen fühlen sich besonders Dänen, Schweden, Holländer, Österreicher und Schweizer von den endlosen Alleen und einsamen Sandstränden Mecklenburg-Vorpommerns angezogen.

Die Besucher kommen nicht nur im Sommer, sondern auch im Herbst, wenn die Kraniche auf ihrem Zug nach Süden zu Zigtausenden in den Boddengewässern nächtigen. Sie stehen staunend auf den Marktplätzen der alten Hansestädte und trauen ihren Augen nicht, wenn sie nach Putbus kommen oder nach Heiligendamm. Dass ihre Gastgeber generell etwas wortkarg sind, scheint sie nicht abzuschrecken.