Der langwierige Kampf des Frauenfußballs gegen den Männerfußball um gesellschaftliche Anerkennung. Erfolgreicher sind die Frauen jetzt schon

"Fußball ist kein Frauensport", bügelte DFB-Präsident Dr. Peco Bauwens 1954 harsch alle Nachfragen ab. Niemals werde man sich ernsthaft damit beschäftigen. 57 Jahre später ist Deutschland Gastgeber einer Fußball-Weltmeisterschaft - der Frauen. Die Plakate, mit denen ARD und ZDF die flächendeckende Berieselung des Landes mit Fußball im Zeichen der Venus bewerben, zeugen von gesundem Selbstbewusstsein: "Dritte Plätze sind was für Männer". Soll heißen: Die dritten WM-Ränge der Klinsmann- und Löw-Truppe 2006 und 2010 sind ja ganz nett, aber Weltmeister sind wir.

Fußball, sagt der englische Publizist Desmond Morris, ist "rituelle Jagd, stilisierter Kampf und symbolisches Geschehen". Die Seele des Fußballs, manchmal auch seine Bierseligkeit, ist seit mehr als hundert Jahren im Besitz der Männer. Aber auch sie haben sich den Platz an der Sonne erst erkämpfen müssen. Als die Balltreter im 19. Jahrhundert von England aus den Kontinent eroberten, mussten sie Verbote und Widerstände überwinden, ihren Sport als "Fußlümmelei" oder "englische Krankheit" beschimpfen lassen. Seither ist Fußball des Volkes Männersport, jeder Sportschauseher ein Bundestrainer.

In der DFB-Terminologie ist die "Nationalmannschaft" jene der Männer. Die andere heißt "Frauen-Nationalmannschaft". Wohlwollendes Interesse ist ihnen gewiss, wenn sie mal wieder ein paar Sterne für die schwarz-rot-goldene Erfolgsstatistik ernten. Jeder kennt die letzten deutschen Weltmeister von Bodo Illgner bis Jürgen Klinsmann, auch wenn ihr Triumph nach 21 Jahren schon etwas matt glänzt. Aber weiß wirklich jemand, ob Kerstin Stegemann und Renate Lingor 2007 den Titel holten?

Frauenfußball war über Jahrzehnte ein Kampf gegen Klischees, zwischen Sport und Spott lag weniger als ein Buchstabe. Der Fernsehmoderator Wim Thoelke durfte 1970 ungestraft im ZDF-Sportstudio lästern: "Die Frauen waschen doch ihre Trikots selber" oder "Sie sind frei von allen kleinlichen Sorgen um Haushalt, Mann und Kinder" - und war sich des Beifalls des männerdominierten Publikums sicher. Und heute? In der Aktion eines Wäscheherstellers sollten Männer sagen, was ihnen zum Frauenfußball einfällt. Heraus kamen Begriffe wie Strafraumzicken, Dribbelbienen und Quotenfrauen.

Fünf Jahre nach dem Sommermärchen folgen nun die Sommermädchen. Die Kanzlerin und die beiden wichtigsten deutschen Präsidenten - Christian Wulff und Theo Zwanziger - promoten den Frauenfußball, als stünde die Zukunft des Landes auf dem Spiel. Von der Auslosung der WM-Gruppen bis zum Vorrundenspiel Australien gegen Äquatorialguinea flimmert jedes Ereignis live ins Wohnzimmer. Nur der DFB-Slogan "20Elf von seiner schönsten Seite" liegt daneben, weil er den Fokus nicht auf das Spiel, sondern auf das noch nebensächlichere Äußere legt. Womöglich sahen beim Testspiel gegen Norwegen fast sechs Millionen zu, weil sie sich mehr erhofften als einen flotten Kick.

Frauenfußball und Männerfußball haben die gleichen Regeln. Beide spielen in kurzen Hosen zweimal 45 Minuten, beide Tore sind 7,32 Meter breit, beider Spielbälle wiegen 410 Gramm. Wer den Zauber eines Lionel Messi erlebt hat, mag nicht glauben, dass es sich um die gleiche Sportart handelt.

Rekordnationalspielerin Birgit Prinz hat 62 Länderspiele mehr bestritten als Lothar Matthäus. Mit knapp mehr als 100 000 Euro verdient sie im Jahr ein Hundertstel der höchstbezahlten Bundesligaprofis. Aber diese Vergleiche sind unfair. Zu Frauen-Bundesligaspielen kommen im Schnitt 836 Zuschauer, bei den Männern 50-mal so viel. Wer vergleicht schon Frauen- mit Männertennis? Steffi Graf spielte sich in die Herzen der Tennisfans, weil sie verlässlich zwischen Wimbledon und Flushing Meadows siegte, obwohl sie gegen die schwächsten Männer nie eine Chance gehabt hätte. Schwimm-Olympiasiegerin Britta Steffen wurde 2008 in Peking bejubelt, obwohl sie über 100 Meter Freistil sechs Sekunden langsamer schwamm als der beste Mann.

Jeder sechste Fußballer in Deutschland ist eine Frau. Tendenz steigend. "Die Zukunft des Fußballs ist weiblich", sagt Sepp Blatter. Der Chef des Weltfußballverbandes Fifa weiß, wohin der Ball rollt. Bis dahin gilt beim DFB: Der Männerfußball bringt das Geld, der Frauenfußball die Erfolge.