Die Atomenergie darf nicht durch Stromimporte ersetzt werden.

Wenige Jahre noch, dann dürfte der größte Teil des deutschen Atomparks vom Netz gegangen sein - und mit ihm gewaltige Stromerzeugungskapazitäten, die bislang rechnerisch jede vierte bis fünfte in Deutschland verbrauchte Kilowattstunde produziert haben. Und dennoch: Auch nach vollzogenem Atomausstieg müssen wir in Deutschland wohl nicht mit Stromausfällen rechnen, wird nirgendwo Strom rationiert werden. Möglich wird das unter anderem durch das europäische Stromverbundsystem, das sich wie ein riesiges Spinnennetz quer über unseren Kontinent spannt.

Dieses Geflecht transkontinentaler Stromautobahnen sorgt dafür, dass die Netzspannung in jedem angeschlossenen Land einigermaßen stabil bleibt, mit anderen Worten: dass immer genug und niemals zu wenig oder zu viel Strom im Netz ist. Produzieren die Windräder in Norddeutschland bei Sturm mal wieder Strom in Hülle und Fülle, lässt sich die überschüssige Energiemenge schnell ins Ausland abführen. Und sinkt in Deutschland die Leistung, weil die Bundesregierung mehrere Atommeiler hat abschalten lassen, dann können die Energiekonzerne entweder ihre CO2 produzierenden Kohle- und Gaskraftwerke aufdrehen - oder sich fehlende Stromkontingente aus dem Ausland dazukaufen.

Bei dem jetzt forcierten Einstieg in den Atomausstieg könnten diese Stromimporte zu einem süßen Gift und einer gefährlichen Droge werden. Dann nämlich, wenn wir angesichts der Bilder aus Japan von apokalyptischer Panik gepackt den schnellstmöglichen Ausstieg erzwingen würden. In diesem Falle ginge wohl kein Weg daran vorbei, auf Dauer mehr Strom aus dem Ausland zu beziehen - aus Frankreich beispielsweise, das seine Elektrizität zu etwa achtzig Prozent aus Atomreaktoren bezieht. Rein industriepolitisch wäre wohl wenig gegen so eine Lösung zu sagen: Der französische Strom wäre günstig, und er würde verlässlich fließen.

Umweltpolitisch dagegen würde es sich um eine gigantische Augenwischerei handeln. Denn dass die Reaktoren auf dieser Seite des Rheins langsam verstauben, während sie auf der anderen auf Hochtouren glühen - das wäre den Begriff Atomausstieg nicht wert.

Nein, eine Energiewende, die echt und nachhaltig sein will, lässt sich nicht handstreichartig verwirklichen. Sie erfordert den Bau von ungeliebten Windrädern, Biogasanlagen, Pumpspeichern und Hochspannungstrassen für den Windstrom. Das alles dauert, ist nicht schön und nicht billig, aber es gehört zu einem Ausstieg dazu, der den Namen verdient.