Bei der Gesetzgebung siegt die Taktik zu oft über die Qualität.

Was auch immer du tust, handle klug und berücksichtige das Ende ("Quidquid agis, prudenter agas et respice finem"). Diese Weisheit der alten Römer lernt jeder Lateinschüler, lange bevor er den Ablativus absolutus begriffen hat. Und doch scheint sie in unseren Tagen in Vergessenheit geraten zu sein. Zumindest in den Kreisen unserer Volksvertreter, die zwar eine Reform nach der anderen anschieben, dies allerdings mäßig bedenken, das Ergebnis dabei kaum im Blick haben - und das Ganze dem Publikum auch noch miserabel verkaufen.

Jüngstes Beispiel ist das Theater um den Biosprit E10. Seit Jahren wird um dessen Einführung gerungen, einmal war sie wegen technischer Bedenken bereits ausgesetzt worden. Ob Motoren unter der erhöhten Ethanolbeimengung leiden können, ist immer noch umstritten. Ob das Ganze überhaupt einen positiven Effekt für die Umwelt hat und ob Ackerflächen, Getreide oder Zuckerrüben nicht für andere Zwecke besser eingesetzt werden können, auch. Sicher ist lediglich, dass die Ölkonzerne eine schöne Gelegenheit für eine weitere Preiserhöhung bekommen haben und ihre überteuerten Superpluspowerextra-Treibstoffe auch noch loswerden. Festgehalten wird an E10 nun trotzdem. Nicht aus Einsicht, sondern wohl eher, weil man dem in Nordrhein-Westfalen wohl bald im Wahlkampf stehenden Umweltminister Röttgen keine neue Blamage antun möchte.

Ähnliches Gewürge liegt bei der Hartz-IV-Reform hinter uns, die eigentlich nur die Berechnung der Sätze transparenter machen sollte, bei der die SPD dann aber die neuen Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat dazu nutzte, ihr gesamtes brachliegendes Sozialprogramm in die Verhandlungsmasse einzubringen. Das Ergebnis für die Betroffenen ist trotzdem bescheiden. Weitere Reformbaustellen: Die Wehrpflicht ist ausgesetzt, der Bundesfreiwilligendienst aber noch im Stadium der Fata Morgana. Die Steuerdebatte taucht je nach Wahlterminen und Wirtschaftsprognosen auf und ab wie das Ungeheuer von Loch Ness - und angesichts der Qualität derzeitiger Gesetzgebung sollten wir Steuerzahler beinahe froh sein über jede Reform, die nicht umgesetzt wird.

Hier liegt wohl der Kern des Übels: Immer den nächsten Wahlsonntag im Blick - von denen es in jedem Jahr eine ganze Reihe gibt - werden Entscheidungen verschoben, verwässert oder übers Knie gebrochen. Mit Vollgas geht es dann ins Reformchaos. Zurück bleiben Weitsicht und Weisheit.